Nach wochenlangen Verzögerungen auch in Deutschland Corona-Warn-App verfügbar
Nach wochenlanger Verzögerung gibt es nun auch in Deutschland eine Corona-Warn-App: Dem ausdrücklichen Aufruf der Bundesregierung zum Download der App folgten am Dienstag mehr als eine Million Menschen. Die App sei zwar "kein Allheilmittel" und auch kein "Freifahrtschein", aber ein "wichtiges Werkzeug" zur Eindämmung der Pandemie, sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bei ihrer Vorstellung. Sie ist für die Nutzer anonym, freiwillig und kostenlos.
Nach Spahns Einschätzung ist die Nutzung gerade in Zeiten der Corona-Lockerungen sinnvoll. Schließlich gebe es wieder mehr Kontakte, bei denen sich die Menschen nicht kennen - etwa bei Demonstrationen oder Zugfahrten.
Mit Hilfe der Bluetooth-Technologie soll die Anwendung aufzeichnen, wann und wie lange sich jemand in der Nähe eines anderen Smartphone-Nutzers aufgehalten hat, der auf seinem Gerät ebenfalls die App aktiviert hat. Wird jemand positiv auf das Coronavirus getestet, kann er über die App anonym die Nutzer warnen, mit denen er Kontakt hatte. Die Daten sollen anonymisiert und dezentral verarbeitet werden.
Die Nutzung der App verbraucht laut Bundesregierung nur wenig Energie. Dem Digitalverband Bitkom zufolge wird die App-Nutzung nicht auf das Datenvolumen der Mobilfunkkunden angerechnet.
Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) rief die Bürger zur Sorgfalt auf. Wichtig sei, dass die Nutzer die Anwendung ausschließlich aus den offiziellen App-Stores von Apple und Google herunterladen, sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Bis Dienstagabend luden sich allein im App-Store Google Play mehr als eine Million Nutzer die Anwendung herunter.
Spahn räumte ein, dass es bei der App vereinzelt zu Fehlalarmen kommen könne. Es sei ihm aber lieber, zu viel als zu wenig auf das Virus zu testen. Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) zeigte sich zufrieden mit dem Start der App. Es sei "nicht die erste Warn-App weltweit, die vorgestellt wird, aber ich bin ziemlich überzeugt, es ist die beste", sagte er.
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sagte, Sicherheit und Qualität der App befänden sich "auf sehr hohem Niveau". Justizministerin Lambrecht wies Forderungen nach einem Gesetz zur Nutzung der App zurück. Arbeitgeber etwa hätten die Möglichkeit, Kontakte auch anderweitig zu erfassen, sagte sie. Deshalb überwiege im Falle der App der Aspekt der Freiwilligkeit.
SPD-Chefin Saskia Esken, die sich zunächst skeptisch über die App geäußert hatte, warb nun ebenfalls dafür. Es gebe "keinen vernünftigen Grund, sie nicht zu installieren – ich habe das heute früh schon erledigt", sagte sie der "Augsburger Allgemeinen" (Mittwochsausgabe). Letztlich sei es gelungen, dass die App "Daten und Privatsphäre optimal schützt".
Die AfD-Bundestagsfraktion lehnte die App rundweg ab. Wegen der fehlenden gesetzlichen Grundlage habe diese "mit ’Freiwilligkeit’ nur noch wenig zu tun", erklärte die AfD-Digitalexpertin Joana Cotar.
Bei der Opposition gibt es Befürchtungen, dass Arbeitgeber die Beschäftigten nötigen könnten, die App zu nutzen. Dazu erklärte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter, die große Koalition solle einsehen, dass es zur Absicherung der Corona-App ein Gesetz geben müsse, um solche Fälle zu verhindern.
Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber lobte die App als "im Großen und Ganzen" gelungen. "Aus Sicht des Datenschutzes sehe ich keinen Grund, der gegen eine Installation spricht." Es gebe aber noch Schwachstellen. Neben dem Quellcode müsse auch die Datenschutz-Folgenabschätzung öffentlich zugänglich gemacht werden. "Je transparenter das gesamte Projekt ist, umso mehr Vertrauen werden die Bürgerinnen und Bürger haben."
(W.Budayev--DTZ)