Der Herr der einsamen Handschuhe
Einzelne Handschuhe gehören wohl zu den Dingen, die am häufigsten auf offener Straße verloren gehen. Koji Ishii kann an keinem von ihnen vorübergehen. Wann immer der 39-Jährige in seiner Heimatstadt Tokio einen verlorenen Handschuh sieht, muss er ihn fotografieren und die Details zu dem Fundstück akribrisch dokumentieren. Dies sei einerseits seine Leidenschaft und andererseits eine Belastung, sagte Ishii im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AFP.
"Ich lebe mit der ständigen Angst, dass um die nächste Ecke ein Handschuh liegen könnte", sagt Ishii, der sich schon seit mehr als 15 Jahren mit den einsamen Handschuhen beschäftigt. "Ich kann das nur als Fluch beschreiben."
Ishii ist allerdings nicht allein. In aller Welt ist eine Art Subkultur von Sammlern entstanden, die verloren gegangene Handschuhe etwa auf den Instagram-Seiten "Long Lost Gloves" oder "Lost Glove Sightings" dokumentieren. Ishii ist einer der Pioniere dieses ungewöhnlichen Hobbys.
Seine Leidenschaft nahm ihren Anfang, als er 2004 einen gelben Arbeitshandschuh in der Nähe seines Zuhauses entdeckte und spontan beschloss, ihn mit seinem neuen Handy zu fotografieren.
Mittlerweile hat Ishii mehr als 5000 Handschuhe in den verschiedensten Größen und Ausführungen fotografiert - auf der Straße, auf Gullygittern oder auch am Strand angespült. Der Reiz bestehe darin, sich vorzustellen, wer den Handschuh getragen habe und wie das Kleidungsstück dorthin gekommen sei. Ishiis Frau und seine Tochter tolerieren seinen Spleen - manchmal verraten sie ihm sogar, wo sie einen verlorenen Handschuh gesehen haben.
Dieses Jahr könnte Ishii seine Leidenschaft allerdings überfordern, denn wegen der Corona-Pandemie tragen in Japan viele Menschen Handschuhe zum Schutz vor dem Erreger. "Im Sommer 2020 könnten wir genauso viele einsame Handschuhe finden wie im Winter", sagt der Japaner.
(Y.Leyard--DTZ)