
Britisches Unterhaus stimmt erneut über Alternativen zum Brexit-Vertrag ab

Das britische Unterhaus berät am Montag erneut über mögliche Alternativen zum Brexit-Vertrag. Nachdem das Austrittsabkommen mit der EU am Freitag zum dritten Mal abgelehnt wurde, wollen die Abgeordneten am Abend nochmals über andere Optionen abstimmen. Als aussichtsreichste Varianten gelten ein Verbleib Großbritanniens in einer Zollunion mit der EU und ein neues Referendum über den Brexit-Vertrag. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker mahnte die Briten zur Eile und forderte Klarheit über den Brexit-Kurs.
Fast drei Jahre nach dem knappen Votum der Briten für einen EU-Austritt ist die Situation in London völlig verfahren. Am Freitag hatte das Unterhaus den von Premierministerin Theresa May mit der EU ausgehandelten Brexit-Vertrag zum dritten Mal abgelehnt. Finden die Abgeordneten keine Lösung, droht am 12. April ein Chaos-Brexit ohne Abkommen - mit wohl verheerenden Folgen für Wirtschaft und Bürger.
Gegen einen ungeordneten EU-Austritt haben sich die britischen Abgeordneten zwar schon mehrfach ausgesprochen. Auf Alternativen zu Mays Austrittsvertrag konnten sie sich bisher aber nicht einigen.
Juncker sagte am Sonntagabend im italienischen Sender Rai 1: "Wir hatten viel Geduld mit unseren britischen Freunden." Die Geduld sei aber bald "aufgebraucht". Großbritannien solle sich daher bald darauf einigen, welchen Weg es einschlagen wolle, mahnte Juncker.
Nach den bisherigen Abstimmungen im britischen Unterhaus wisse niemand, "wo es lang geht", fügte Juncker am Montag bei einem Besuch in Saarbrücken hinzu. "Wir wissen jetzt, was das britische Parlament nicht will. Was es aber will, haben wir noch nicht in Erfahrung gebracht."
Die Abgeordneten hatten am vergangenen Mittwoch über acht Alternativen zu Mays Austrittsvertrag abgestimmt, von denen aber keine eine Mehrheit bekam. Am Montagabend (ab 21.00 Uhr MESZ) könnten sie nun noch einmal über die Varianten abstimmen, welche die meisten Stimmen bekommen hatten. Am besten abgeschnitten hatten zwei Anträge zu einer Zollunion mit der EU und zu einem Referendum zum Brexit-Vertrag.
Für Mittwoch ist bereits eine weitere Abstimmungsrunde geplant. In London wird zudem darüber spekuliert, dass May versuchen könnte, ihren Brexit-Deal ein viertes Mal im Unterhaus zur Abstimmung zu stellen.
Der Fraktionschef der konservativen Tories im Unterhaus, Julian Smith, sagte am Montag in einem BBC-Interview, ein "sanfterer Brexit" und eine weiterhin enge Anbindung an die EU seien inzwischen wohl "unvermeidbar". Smith kritisierte zudem den fehlenden Zusammenhalt im Kabinett. In der Geschichte Großbritanniens habe es noch nie so wenig Disziplin wie in Mays Kabinett gegeben, sagte Smith.
Mays Kabinett ist im Brexit-Streit tief gespalten: Proeuropäische Minister sind für den Verbleib in einer Zollunion mit der EU. May lehnt diese Idee bisher ab. Sollte sie sich trotzdem darauf einlassen, droht ein Rücktritt der Brexit-Befürworter im Kabinett.
Die Probeabstimmungen am Montag und Mittwoch sind zwar rechtlich nicht bindend, haben aber politisches Gewicht. Die Regierung befürchtet, von den Parlamentariern unter Zugzwang gesetzt zu werden.
Um ihr Abkommen doch noch durchzubringen, hatte May den Brexit-Hardlinern in der vergangenen Woche ihren Rücktritt angeboten. Auch über vorgezogene Neuwahlen wird seit Tagen spekuliert. Sie befürchte, "dass der Prozess in diesem Parlament an seine Grenzen kommt", hatte May gesagt.
Viele Konservative lehnen Neuwahlen aber ab - zumal in Umfragen die oppositionelle Labour-Partei in Führung liegt. Der stellvertretende Parteichef der Tories, James Cleverly, s sagte dem Sender Sky News, eine Neuwahl werde keine Probleme lösen. "Wir müssen beim Brexit liefern", sagte Cleverly. Es dürfe nicht noch mehr "unnötige Verzögerung" geben.
(I.Beryonev--DTZ)