
EU-Staaten erwägen verschiedene Bedingungen für Brexit-Verlängerung

Am Tag des Brexit-Sondergipfels geht es in Brüssel nicht mehr um das Ob, sondern nur noch um das Wie: Dass Großbritanniens Wunsch nach einer Fristverlängerung entsprochen wird, haben die EU und ihre Mitgliedsländer bereits signalisiert. Unklar ist jedoch, wie viel Zeit den Briten zugestanden wird - und was sie dafür tun müssen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nannte am Mittwoch gleich mehrere Bedingungen.
Bei einem längeren Verbleib Großbritanniens in der EU müsse sichergestellt sein, "dass die europäischen Institutionen weiterhin ordnungsgemäß funktionieren können", sagte Merkel im Bundestag. Großbritannien müsse sich dann an der Europawahl beteiligen und die Bereitschaft zeigen, "bei Entscheidungen konstruktiv mitzuwirken". Dann sei eine Verschiebung "um mehrere Monate" möglich.
Die britische Premierministerin Theresa May hatte die EU um eine Fristverlängerung bis zum 30. Juni gebeten, nachdem das von ihr ausgehandelte Austrittsabkommen dreimal im Unterhaus gescheitert war. Ohne eine Fristverlängerung droht am Freitag ein harter Brexit, den beide Seiten möglichst vermeiden wollen.
Ehe der Sondergipfel am Abend in Brüssel beginnt, trifft sich May mit EU-Ratspräsident Donald Tusk. Er hatte sich zuletzt für einen längerfristigen Brexit-Aufschub ausgesprochen, maximal aber für ein Jahr. Dabei verwies er auf das Modell einer sogenannten "Flextension", bei dem Großbritannien die EU verlassen könnte, sobald das Parlament in London dem Austrittsabkommen zustimmt.
Auch Merkel hat vor dem eigentlichen Beginn des Gipfel noch einen Termin: Sie berät sich mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Aus Paris hatte es zuletzt geheißen, die Regierung sei zwar offen für eine Fristverlängerung, aber "nicht um jeden Preis" und nur mit "bestimmten Grenzen". Inzwischen kristallisiert sich als Position Frankreichs wie auch Belgiens eine Faustregel heraus: Je länger der Aufschub, desto strenger die Auflagen.
Nötig sei "große Klarheit" darüber, wie Großbritannien sich verhalten werde, sagte der belgische Regierungschef Charles Michel dem Radiosender Bel RTL. Vorstellbar seien "Bedingungen", die bei Nichteinhaltung "automatisch zum Ende der Präsenz Großbritanniens innerhalb der EU führen".
Aus Frankreich kommt die Idee, die Briten an den Katzentisch zu setzen. Es müsse "Verpflichtungen" geben, dass London Entscheidungen, bei denen Einstimmigkeit nötig sei, nicht verhindern könne, sagte ein Diplomat. De facto müssten die Briten in einer solchen Mitgliedschaft zweiter Klasse auf ihr Veto-Recht verzichten.
Die Verlängerung dürfe nicht dazu dienen, "das ordentliche Funktionieren der Unionsinstitutionen zu untergraben", heißt es nach AFP-Informationen im Entwurf der Gipfelerklärung. London müsse "von jeglicher Maßnahme absehen, die das Erreichen der Unionsziele gefährden könnte". Eine "Schleudersitz"-Klausel ist vorgesehen, wenn Großbritannien nicht an der Europawahl Ende Mai teilnimmt. Das Land würde dann zum 1. Juni automatisch ausscheiden.
Dass die 27 anderen EU-Länder so viel Wert auf feste Konditionen eines Aufschubs legen, hat mit der Sorge zu tun, die Union könnte ansonsten Schaden nehmen. Die britischen Brexit-Hardliner drohen inzwischen offen mit Sabotage, falls Großbritannien an der Europawahl teilnehmen muss.
Die Frage, wie es mit der britischen Teilnahme an der Europawahl aussieht, gehört denn auch zu den beiden Kernpunkten, zu denen May sich am Abend in Brüssel positionieren muss. Als zweites wird es darum gehen, ob durch die Gespräche mit der Labour-Partei die Chancen steigen, das bereits ausgehandelte Austrittsabkommen im vierten Anlauf vielleicht doch noch durchs Unterhaus zu bekommen.
(P.Tomczyk--DTZ)