
SPD eröffnet heiße Phase des Wahlkampfs mit Appell zu Kampf gegen rechts

Mit Aufrufen zum Kampf gegen den europaweit erstarkenden Nationalismus ist die SPD in die heiße Phase des Europawahlkampfs gestartet. Noch nie in den vergangenen 40 Jahren sei eine Europawahl "so entscheidend und wichtig" gewesen, sagte SPD-Chefin Andrea Nahles am Freitag auf einer Kundgebung in Saarbrücken. "Es geht um alles." Europa-Spitzenkandidatin Katarina Barley sprach von einer "Richtungswahl" gegen die "Rechtspopulisten, die ein anderes Europa wollen".
Umfragen lassen vor der Wahl Ende Mai in vielen EU-Staaten ein starkes Abschneiden von europakritischen Kräften erwarten. "In Europa wollen viele das Rad der Geschichte zurückdrehen", sagte Nahles. "Wir wollen diesen Geisterfahrern das Rad nicht in die Hand geben." Die SPD kämpfe für ein Europa der offenen Grenzen.
Scharfe Kritik übten die Redner in Saarbrücken an der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP). "Auf die Konservativen ist in Europa kein Verlass mehr", sagte Nahles. Sie verwies auf den von Konservativen betriebenen Brexit und auf die rechte Regierung von Victor Orban in Ungarn, welche die Demokratie aushöhle. "Wie lange wollt Ihr diesen Orban noch in den Reihen der EVP dulden?", fragte Nahles. "Schmeißt ihn raus!"
Barley forderte mit Blick auf die EU-kritischen Regierungen in Ungarn und Polen notfalls auch finanzielle Konsequenzen aus Brüssel. "Wer sich nicht an die Standards hält, dem werden am Ende auch die finanziellen Zuwendungen der EU gekürzt", sagte sie. "Wir müssen klare Kante zeigen gegen die Regierungen."
"Was wir erleben ist eine schleichende Orbanisierung der Christdemokratie in Europa", sagte Udo Bullmann, der neben Barley für die SPD als Spitzenkandidat in die Europawahl zieht.
Barley sprach von "Menschen, die Europa kaputtmachen wollen". Sie warnte vor einem "Europa, in dem wieder jedes Land sich nationalistisch und egoistisch gegen die anderen aufstellt". Nun müssten "überzeugte Europäerinnen und Europäer" ins Parlament gewählt werden, "weil es jetzt um alles geht".
Die Redner der Kundgebung in Saarbrücken forderten einen europäischen Mindestlohn, die gerechte Besteuerung internationaler Digitalkonzerne und eine europaweite Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre.
Nahles forderte ein europaweites Vorgehen gegen Lohndumping etwa bei Paketzustellern. "Wir wollen hier keinen arbeitsmarktpolitischen Wilden Westen", sagte sie. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) sagte, die SPD wolle "ein starkes, soziales Europa, das auf Zusammenhalt und Solidarität setzt".
Juso-Chef Kevin Kühnert, der in Saarbrücken mit besonders viel Applaus empfangen wurde, forderte eine Digitalsteuer zur Finanzierung des Kampfs gegen Jugendarbeitslosigkeit.
Nahles sprach ihrer eigenen Partei, die derzeit in Umfragen nur schwache Werte erzielt, Mut zu. Sie verwies auf die jüngsten Wahlerfolge von Sozialdemokraten in Finnland und Spanien: "Sie haben gezeigt, dass da, wo Sozialdemokraten sich klar gegen rechts positionieren, sich für eine sozialdemokratische Politik entscheiden, für eine Sozialpolitik, die den Namen auch verdient, dass sie auch Wahlen gewinnen können." Dies gebe auch anderen Sozialdemokraten in Europa "Rückenwind".
(W.Novokshonov--DTZ)