Nach Mord an Lübcke Drohungen gegen Kölner Oberbürgermeisterin Reker
Dreieinhalb Wochen nach dem Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke haben mehrere Kommunalpolitiker Morddrohungen erhalten, darunter die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker. Die Ermittlungen wegen Drohmails an "Institutionen und Personen des öffentlichen Lebens" übernahmen Staatsanwaltschaft und Landeskriminalamt Berlin. Geprüft wird laut den Behörden, ob die jüngsten E-Mails in Zusammenhang mit früheren bundesweiten Drohschreiben mit rechtsextremistischem Hintergrund stehen.
Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin bestätigte der Nachrichtenagentur AFP, dass neben Reker auch der Bürgermeister der westfälischen Stadt Altena, Andreas Hollstein (CDU), eine Morddrohung erhielt. Wie viele Mails geprüft werden und an wen mögliche weitere Drohungen gingen, konnten die Behörden zunächst nicht sagen. Sowohl Reker als auch Hollstein waren in der Vergangenheit bereits Opfer von Gewalttaten geworden.
Ein rechtsradikaler Attentäter hatte Reker 2015 bei einem Wahlkampftermin mit einem Messer in den Hals gestochen. Die parteilose Kommunalpolitikerin wurde lebensgefährlich verletzt und musste notoperiert werden. Hollstein wurde 2017 in einem Dönerimbiss angegriffen und mit einem Küchenmesser bedroht. Dabei wurde er leicht am Hals verletzt.
Wie der WDR berichtete, hat die Drohung gegen Reker offenbar einen rechtsextremen Hintergrund und steht im Zusammenhang mit dem Mordfall Lübcke. Reker hatte in Reaktion auf den Mord an dem CDU-Politiker Lübcke am Dienstag getwittert, die Tat mache "wieder einmal deutlich, dass die Feinde unserer offenen Gesellschaft keine Grenzen kennen". Einen Tag, bevor sie selbst eine Droh-Mail erhielt, fügte sie hinzu: "Sie sind bis auf das Äußerste zu allem bereit. Das muss uns wachsam machen, aber nicht ängstlich".
Hollstein schrieb am Montag auf Twitter, wenn sich im Fall Lübcke "der schlimme Verdacht auf eine rechtsextremistische Tat bestätigt, sind alle Demokraten gefragt". Dem "rechten Hass" und der Gewalt müsse "mit aller Härte unseres Rechtsstaats" begegnet werden.
Die Berliner Ermittler leiten seit Januar federführend die Ermittlungen zu der seit über einem Jahr laufenden Serie von Drohschreiben. In dieser gingen mit "Nationalsozialistische Offensive", "NSU 2.0" oder "Wehrmacht" unterschriebene Drohmails an Gerichte und Behörden, Institutionen, Politiker, Anwälte, Journalisten und Prominente.
Die Serie umfasste bereits vor rund zwei Monaten mehr als 200 solcher Schreiben. Anfang April wurde in dem Zusammenhang ein 31-jähriger Tatverdächtiger aus Schleswig-Holstein festgenommen, die Serie war damit aber nicht zu Ende. Dem Mann wurde unter anderem die Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten vorgeworfen.
Der CDU-Politiker Lübcke war in der Nacht zum 2. Juni auf der Terrasse seines Wohnhauses erschossen worden. Am Wochenende wurde ein 45-jähriger Mann mit rechtsextremem Hintergrund als dringend Tatverdächtiger festgenommen. Die Bundesanwaltschaft übernahm die Ermittlungen und stufte die Tat als "politisches Attentat" ein.
Nach den Worten des Präsidenten des Deutschen Städtetags, Burkhard Jung (SPD), sind Drohungen gegen Kommunalpolitiker mittlerweile ein flächendeckendes Problem. "In ganz Deutschland beobachten wir das", sagte der Leipziger Oberbürgermeister im ARD-"Mittagsmagazin". Es werde versucht, Kommunalpolitiker, ehrenamtliche Kreisräte, Stadträte zu beeinflussen. "Zu mobben, zu haten." Er selbst erstatte regelmäßig Anzeige, doch die Strafverfolgung solcher Bedrohungen sei ihm "zu lasch", sagte Jung.
(M.Dylatov--DTZ)