Deutsche Tageszeitung - Weiterer Bestandteil der polnischen Justizreform könnte gegen EU-Recht verstoßen

Weiterer Bestandteil der polnischen Justizreform könnte gegen EU-Recht verstoßen


Weiterer Bestandteil der polnischen Justizreform könnte gegen EU-Recht verstoßen
Weiterer Bestandteil der polnischen Justizreform könnte gegen EU-Recht verstoßen / Foto: ©

Die nationalkonservative Regierung Polens hat womöglich mit einem weiteren Bestandteil ihrer umstrittenen Justizreform EU-Recht verletzt. In einem Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg zeigte sich der zuständige Generalanwalt Evgeni Tanchev am Donnerstag überzeugt, dass die im Zuge der Reform neu geschaffene Disziplinarkammer des Obersten Gerichts Polens den Anforderungen an die richterliche Unabhängigkeit nicht genüge. (Az. C-585/18 u.a.)

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Am Montag hatte der EuGH entschieden, dass die umstrittene Herabsetzung des Ruhestandsalters für die Richter am Obersten Gericht des Landes von 70 auf 65 gegen die Grundsätze der Unabsetzbarkeit der Richter und der richterlichen Unabhängigkeit verstößt. Ausnahmegenehmigungen von dieser Regelungen sollte der polnische Präsident erteilen können, ohne dabei aber an bestimmte Richtlinien gebunden zu sein.

Die geplante Disziplinarkammer des Obersten Gerichts ist Teil der umstrittenen Reform zur Pensionsregelung. Sie soll sich auch mit Klagen von betroffenen Richtern befassen. Das Oberste Gericht bat den EuGH um Klärung, ob die neue Disziplinarkammer im Sinne des EU-Rechts hinreichende Garantien für ihre Unabhängigkeit bei Entscheidungen über solche Klagen biete.

Generalanwalt Tanchev kam zu dem Schluss, dass die Kammer die Anforderungen des Unionsrechts nicht erfüllt. Er ging vor allem auf die Rolle des Landesjustizrats bei der Besetzung der Disziplinarkammer ein. Die Art und Weise der Ernennung von Mitgliedern dieses Justizrats weise Mängel auf, die es wahrscheinlich erscheinen ließen, dass "seine Unabhängigkeit von der Legislative und der Exekutive" beeinträchtigt sei, erklärte Tanchev.

Den Entscheidungsvorschlägen der Generalanwälte kommt in den Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof eine hohe Bedeutung zu. Die Luxemburger Richter sind daran zwar nicht gebunden, folgen den Schlussanträgen aber in vielen Fällen. Wann ein Urteil in dem Verfahren über die Disziplinarkammer am Obersten Gericht Polens fällt, war zunächst unklar.

Der EuGH beschäftigt sich in mehreren Verfahren mit dem polnischen Justizsystem. Die Richter müssen unter anderem noch über die Herabsetzung des Ruhestandsalters für alle Richter an ordentlichen Gerichten entscheiden. Generalanwalt Tanchev hatte sich auch in diesem Verfahren vergangene Woche in seinem Schlussantrag überzeugt gezeigt, dass die Regelung unvereinbar mit Unionsrecht sei.

(V.Korablyov--DTZ)

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