Krisenstimmung zu Beginn des G20-Gipfels in Osaka
Unter dem Eindruck wachsender politischer Spannungen und einer schwächer werdenden Weltwirtschaft hat am Freitag in Osaka der G20-Gipfel begonnen. Bis Samstag wollen die Staats- und Regierungschefs der großen Industrie- und Schwellenländer in der japanischen Hafenstadt über den Zustand der globalen Wirtschaft, Handelsfragen, die Digitalisierung und den Klimaschutz beraten. Besondere Bedeutung dürfte auch den bilateralen Treffen der Staatenlenker am Rande zukommen. Dort soll es um die aktuellen Krisenherde gehen.
Japans Ministerpräsident Shinzo Abe rief die Gipfelteilnehmer als Gastgeber zur Kompromissbereitschaft auf. "Wir sollten nach Gemeinsamkeiten suchen, anstatt unsere Differenzen herzuvorheben", sagte er zur Eröffnung. "Wir sollten das Treffen zu einem Gipfel werden lassen, von dem jeder profitiert."
US-Präsident Donald Trump hatte allerdings bei der Anreise nach Osaka zu einem Rundumschlag gegen G20-Partnerländer ausgeholt. Er kritisierte Gastgeber Japan wegen militärischer Schwäche, Deutschland wegen eines zu niedrigen Wehretats, China wegen seiner Handelspraktiken und Indien wegen zu hoher Zölle.
In Osaka trat der US-Präsident dann allerdings deutlich konzilianter auf. Bei einem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) lobte er sie als "fantastische Frau" und als "Freundin". Im Mittelpunkt ihrer bilateralen Unterredung standen nach Angaben von Regierungssprecher Steffen Seibert die Entwicklung in Libyen und in der Sahelzone, die Lage in der Ostukraine, die Auseinandersetzung der USA mit dem Iran sowie der transatlantische Handel.
Auch in der Iran-Politik zeigte sich Trump milde. "Wir haben viel Zeit", sagte er. Die Iraner könnten sich "Zeit nehmen". Er hoffe, dass der Konflikt sich letztlich beilegen lasse.
Zu Beginn des Treffen schienen die Positionen der G20-Staaten in vielen Fragen kaum vereinbar. Es war unklar, ob sie sich bis Samstag überhaupt auf eine gemeinsame Abschlusserklärung einigen können. Große Streitpunkte sind der Klimaschutz und der freie Handel - hier treten die USA als Bremser auf.
Diplomaten hielten es für möglich, dass sich die 19 restlichen G20-Mitglieder auf eine Erklärung einigen, die von den USA nicht mitgetragen wird. Dies würde allerdings dem Geist des Multilateralismus widersprechen, der zu Beginn der Weltfinanzkrise 2008 zur Gründung der G20-Gipfel geführt hatte.
UN-Generalsekretär Antonio Guterres, der ebenfalls an dem Gipfel teilnahm, zeigte sich pessimistisch. Das G20-Treffen finde "in einer Zeit großer politischer Spannungen statt", sagte er. Er nannte die klimatische Erderwärmung, aber auch eine "politische Erderwärmung". Er verwies auf die widerstrebenden Interessen vieler G20-Akteure.
Abseits des offiziellen Gipfelprogramms dürften die Staats- und Regierungschefs zahlreiche aktuelle Themen erörtern: die Krise um den Iran, den internationalen Handel, die Nordkorea-Politik und die Konflikte in Syrien und der Ostukraine.
Mit besondere Spannung wird Trumps Treffen mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping am Samstag erwartet. Thema soll der Handelsstreit sein, der die Weltwirtschaft derzeit erheblich belastet. Beobachter halten es für möglich, dass Xi und Trump eine Wiederaufnahme der suspendierten Handelsgespräche vereinbaren.
Trump will in Osaka auch mit Russlands Präsident Wladimir Putin zusammenkommen - zu ihrem ersten bilateralen Treffen seit fast einem Jahr. Kanzlerin Merkel plant ebenfalls Begegnungen mit Xi, Putin und anderen Staatslenkern. Am Rande des Gipfels beriet Merkel mit anderen EU-Regierungschefs über die nach wie vor ungeklärte Besetzung der Brüsseler Spitzenämter. Eine Entscheidung hierzu soll ein Sondergipfel am Sonntag in Brüssel treffen.
Der G20 gehören die 19 großen Industrie- und Schwellenländer sowie die EU an. Die G20-Länder stehen für zwei Drittel der Weltbevölkerung, 80 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts und drei Viertel des Welthandels. Seit 2008 treffen sich die Staats- und Regierungschefs jährlich zu Gipfelberatungen.
(M.Dylatov--DTZ)