Heftige Proteste zu Prozessauftakt gegen Istanbuler CHP-Vorsitzende
Begleitet von heftigen Protesten hat am Freitag in Istanbul der Prozess gegen die örtliche Vorsitzende der oppositionellen Republikanischen Volkspartei (CHP) begonnen. Canan Kaftancioglu werden wegen kritischer Twitter-Botschaften aus den Jahren 2012 bis 2017 "Beleidigung des Präsidenten" Recep Tayyip Erdogan, "Beleidigung der türkischen Republik" und "Propaganda für eine Terrororganisation" vorgeworfen. Der Oppositionspolitikerin drohen bis zu 17 Jahre Haft.
Vor dem Prozessbeginn versammelten sich hunderte Unterstützer vor dem Istanbuler Justizpalast Caglayan. "Nieder mit dem Faschismus", riefen die Demonstranten und hielten Plakate mit der Aufschrift "Wir dürsten nach Gerechtigkeit" hoch. Die Gerichtsanhörung fand in angespannter Stimmung statt. Kaftancioglu forderte dabei mehr Zeit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung, doch lehnten die Richter diesen Antrag ab, wie ihre Partei mitteilte.
Ein Antrag auf Ablösung der Richter wegen Befangenheit wurde demnach ebenfalls abgelehnt und das Verfahren auf den 18. Juli vertagt. Die CHP betrachtet das Verfahren als politisch motiviert und bezeichnet es als "Racheakt" der Regierung für den Wahlsieg des CHP-Kandidaten Ekrem Imamoglu bei der Bürgermeisterwahl in Istanbul am Sonntag. Kaftancioglu hatte eine zentrale Rolle bei der Organisation des Wahlkampfs gespielt.
Die streitbare Politikerin mit dem markanten Kurzhaarschnitt provoziert schon lange viele Konservative mit ihrem selbstbewussten Auftreten und ihrer politischen Ansichten. Als die 47-jährige Gerichtsmedizinerin Anfang 2018 zur CHP-Vorsitzenden in Istanbul gewählt wurde, bezeichnete sie Erdogan in einer Rede als "Terroristin". Die Anklage wegen ihrer alten Tweets fiel mitten in den Wahlkampf für das Bürgermeisteramt in Istanbul.
(V.Korablyov--DTZ)