Deutscher Kapitänin der "Sea-Watch 3" droht Anklage in Italien
Wegen des jüngsten Rettungseinsatzes der "Sea-Watch 3" droht deren Kapitänin, Carola Rackete, eine Anklage in Italien. Die 31-Jährige war am Samstag festgenommen worden, nachdem sie ihr Schiff entgegen des ausdrücklichen Verbots der italienischen Behörden in den Hafen der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa gesteuert hatte. Medienberichten zufolge drohen der Deutschen bis zu zehn Jahre Haft. Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) kritisierte die Festnahme.
Rackete hatte in der Nacht entschieden, die "Sea-Watch 3" in den Hafen einlaufen zu lassen. Ein Polizei-Schnellboot versuchte dies vergeblich zu verhindern. "Wir haben uns in den Weg gestellt (...), aber wenn wir dort geblieben wären, hätte (die ’Sea-Watch’) das Schnellboot zerstört", sagte ein Polizist. "Eine kriegerische Handlung", nannte Italiens Innenminister Matteo Salvini von der rechtsradikalen Lega das Manöver.
Im Hafen hatten sich Anwohner und Aktivisten versammelt. Einige jubelten, andere riefen "Schande" und "Hau ab!", als Polizisten die Kapitänin vom Schiff abführten. Sie wurde anschließend unter Hausarrest gestellt, das Schiff beschlagnahmt. Ihr werden unter anderem Beihilfe zur illegalen Einwanderung sowie die Verletzung italienischer Hoheitsgewässer vorgeworfen.
In der Polizeistation habe Rackete sich ruhig verhalten und für das riskante Manöver gegenüber dem Schnellboot der Polizei entschuldigt, berichteten italienische Medien unter Berufung auf Polizeikreise. Die Kapitänin soll nun binnen 48 Stunden von der Staatsanwaltschaft verhört werden, wie ihr Anwalt Leonardo Marino sagte. Sie sei "müde und gestresst", sagte er.
"Seenotrettung darf nicht kriminalisiert werden", kritisierte Außenminister Maas im Kurzbotschaftendienst Twitter. Vor dem Hintergrund, dass Menschenleben zu retten eine "humanitäre Verpflichtung" sei, müsse die italienische Justiz die Vorwürfe nun schnell klären.
"Italien akzeptiert Belehrungen von niemandem", schrieb der italienische Innenminister Salvini bei Twitter. "Verbrecherische Kapitänin festgenommen, Piratenschiff beschlagnahmt, Höchststrafe für die ausländische Nichtregierungsorganisation", kommentierte er weiter. Andere Hilfsorganisationen warnte er davor, Gerettete nach Italien zu bringen. Ziel sei es, "alle zurück auf den afrikanischen Kontinent zu bringen".
"Die Verhaftung von Kapitänin Rackete zeigt die Ruchlosigkeit der italienischen Regierung und offenbart das Dilemma der europäischen Flüchtlingspolitik", sagte Grünen-Chef Robert Habeck dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Der "eigentliche Skandal" seien "das Ertrinken im Mittelmeer, die fehlenden legalen Fluchtwege und ein fehlender Verteilmechanismus in Europa".
Auch die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) verurteilte die Festnahme. Diese mache ihn "traurig und zornig", erklärte der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm. "Eine junge Frau wird in einem europäischen Land verhaftet, weil sie Menschenleben gerettet hat und die geretteten Menschen sicher an Land bringen will. Eine Schande für Europa!"
"Humanitäre Gründe können keine unzulässigen Gewaltakte gegen Uniformierte rechtfertigen, die auf See für die Sicherheit aller sorgen", sagte Staatsanwalt Luigi Patronaggio in italienischen Medien. Die Staatsanwaltschaft auf Sizilien hatte bereits vor dem Anlegen der "Sea-Watch 3" ein Ermittlungsverfahren gegen die Kapitänin eingeleitet.
Das Schiff hatte am 12. Juni 53 Menschen vor der Küste Libyens gerettet. 13 von ihnen waren zwischenzeitlich an Land gebracht worden, die übrigen verließen am Samstagmorgen das Schiff und wurden in das Aufnahmelager auf Lampedusa gebracht.
Fünf europäische Länder, darunter Deutschland, hatten am Freitag zugesagt, Flüchtlinge von Bord des Schiffes aufzunehmen. Dennoch hatte die italienische Regierung weiterhin keine Genehmigung zum Anlegen erteilt und erklärt, auf "gesicherte Garantien" zu warten.
Rackete gab in einem von der deutschen Hilfsorganisation Sea-Watch veröffentlichten Video an, sie habe lange auf eine Lösung gewartet. Eine solche habe sich jedoch nicht abgezeichnet, sie habe daher entschieden zu handeln. Sie wisse, was sie riskiere und sei bereit, für ihre Entscheidungen ins Gefängnis zu gehen, sagte die Kapitänin.
(I.Beryonev--DTZ)