EU-Postenpoker geht in die heiße Phase
Beim Poker um die Spitzenposten in der EU hat die entscheidende Phase begonnen. EU-Ratspräsident Donald Tusk sondierte in Brüssel mit EU-Abgeordneten das Peronsaltableau, für Sonntagabend war der Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs angesetzt. In den vergangen Tagen waren die Chancen des niederländischen Sozialdemokraten Frans Timmermans auf die Nachfolge von Jean-Claude Juncker als Präsident der EU-Kommission erheblich gestiegen.
Einen Monat nach der Europawahl wollen die EU-Staats- und Regierungschefs bei ihrem Sondertreffen über die Neubesetzung von mindestens drei EU-Spitzenposten entscheiden. Dabei geht es neben dem Posten des Kommissionschefs auch um die Ämter des EU-Ratspräsidenten und des Außenbeauftragten.
Auf die Nachfolge von Juncker hatte bisher der CSU-Politiker Manfred Weber Anspruch erhoben, dessen konservative Europäische Volkspartei (EVP) erneut stärkste Kraft im EU-Parlament wurde. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und andere liberale Regierungschefs sind aber strikt gegen Weber.
Weil sich die meisten Fraktionen im EU-Parlament und auch einige Staats- und Regierungschefs deutlich für die Beibehaltung des Prinzips der Spitzenkandidaten aussprachen, stiegen dadurch die Chancen des Sozialdemokraten Timmermans. Dies ist laut Diplomaten die "Hauptvariante" der diskutierten Szenarien für den Gipfel.
Weber könnte dann nach Angaben aus Verhandlungskreisen der Posten des Parlamentspräsidenten angeboten werden - möglicherweise für zwei Amtszeiten, also fünf Jahre. Alternativ ist auch ein Posten als erster Vize-Präsident der Kommission im Gespräch.
Die EVP hielt zunächst weiter an ihrem Kandidaten fest. Weber sei der EVP-Kandidat für den Chefposten, hieß es am Samstag aus dem Umfeld des CSU-Politikers. Sollte der Sozialdemokrat Timmermans Kommissionspräsident werden, spiegele dies nicht das Ergebnis der Europawahl wider, sagte der Vorsitzende der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament, Daniel Caspary, dem Deutschlandfunk.
Der CDU-Politiker schloss diese Möglichkeit dennoch nicht gänzlich aus, nannte aber weitgehende inhaltliche Zugeständnisse als Bedingung: "Jedes Szenario, bei dem Manfred Weber nicht Präsident der Europäischen Kommission wird, würde bestimmt extrem teuer werden für die andere Seite", sagte Caspary. Zudem griff er Frankreichs Präsidenten für dessen kompromisslose Ablehnung Webers an: Diese "Arroganz" sei nicht akzeptabel.
Widerstand gegen den früheren niederländischen Außenminister Timmermans als Juncker-Nachfolger kommt bislang auch aus fünf Ländern: Italien und die vier Visegrad-Staaten Ungarn, Polen, Tschechien und die Slowakei. Auf eine Sperrminorität kämen diese Länder zwar nicht, dennoch ist eine Entscheidung der Staats- und Regierungschefs gegen eine geschlossenen Ablehnung dieser fünf Länder Diplomaten zufolge kaum denkbar.
Die Grünen, die mit großen Zugewinnen aus der EU-Wahl hervorgegangen waren, würden in den diskutierten Personalszenarien leer ausgehen. "Wir machen unsere Zustimmung von Inhalten abhängig", sagte dazu die deutsche Grüne Ska Keller der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Keller war zwischenzeitlich als mögliche Parlamentspräsidentin gehandelt worden.
(M.Dylatov--DTZ)