In Prozess um Sterbehilfe vor BGH zeichnen sich Freisprüche von Ärzten ab
In zwei Sterbehilfe-Verfahren vor dem Bundesgerichtshof (BGH) hat sich eine Bestätigung der Freisprüche von zwei angeklagten Ärzten abgezeichnet. Bundesanwalt Michael Schaper beantragte am Mittwoch in der mündlichen Verhandlung vor dem fünften Strafsenat des BGH in Leipzig, die von den Staatsanwaltschaften eingelegten Revisionen zu verwerfen. Die Bundesrichter wollen am Mittwochnachmittag in beiden Fällen Urteile verkünden. (Az. 5 StR 132/18 und 5 StR 393/18)
Die Ärzte müssen sich vor Gericht verantworten, weil sie Patienten bei Selbsttötungen unterstützten. Umstritten ist, ob sie sich wegen Tötung durch Unterlassen strafbar machten. Die Mediziner hatten keine Rettungsmaßnahmen bei den bewusstlosen Suizidwilligen eingeleitet. Das Landgericht Hamburg und das Landgericht Berlin sprachen die Ärzte von den Vorwürfen frei. Dagegen legten die Staatsanwaltschaften Revision ein.
Der Vertreter der vor dem BGH zuständigen Bundesanwaltschaft sprach sich für eine Abweisung der Revision aus. Es seien alle drei Voraussetzungen dafür erfüllt, sagte Bundesanwalt Schaper. Sterbewillige müssten voll einsichts- und steuerfähig sein und dürften nicht von anderen unter Druck gesetzt werden. Ihre Entscheidung müsse zudem wohl überlegt sein. In diesen Fällen bestehe die sogenannte Garantenpflicht des Arztes für die Gesundheit des Patienten nicht. Die Freisprüche seien in den beiden Fällen nicht zu beanstanden.
Der Vorsitzende Richter des fünften BGH-Senats, Norbert Mutzbauer, verwies auch auf die gesetzlichen Regelungen zur Patientenverfügung. Der darin festgelegte Wille des Patienten, im Falle seiner Entscheidungsunfähigkeit ärztliche Eingriffe in konkreten Situationen zu unterlassen, sei bindend.
In Hamburg wurde im Zusammenhang mit dem Tod von zwei 81 und 85 Jahre alten Frauen ein Facharzt für Neurologie und Psychiatrie freigesprochen. Die Frauen litten an mehreren nicht lebensbedrohlichen Krankheiten, die aber ihre Lebensqualität zunehmend einschränkten.
Sie wandten sich deshalb an einen Sterbehilfeverein, der eine Hilfe von einem neurologisch-psychiatrischen Gutachten zu ihrer Einsichts- und Urteilsfähigkeit abhängig machte. Dieses erstellte der Arzt. Er war laut BGH zudem dabei, als die Frauen die tödlich wirkenden Medikamente einnahmen. Auf ihren Wunsch leitete er auch keine Rettungsmaßnahmen ein, als sie das Bewusstsein verloren.
Das Landgericht Berlin sprach einen Hausarzt frei, der einer Patientin Zugang zu einem Medikament zur Selbsttötung verschafft hatte. Die 44-jährige Frau litt seit ihrem 16. Lebensjahr an einer nicht lebensbedrohlichen Krankheit, die aber starke krampfartige Schmerzen verursachte, sowie an weiteren wiederkehrenden leiden. Nachdem sie die Medikamente eingenommen hatte, begleitete der Arzt ihr zweieinhalb Tage dauerndes Sterben. Auch er leistete dabei keine Hilfe, um ihr Leben zu retten.
Der angeklagte Berliner Arzt Christoph T. sprach vor dem BGH von einer damals "höchst komplizierten Konfliktsituation". Seiner Patientin sei es um ein selbstbestimmtes Sterben in Würde gegangen. Seine Unterstützung sei nicht nur eine "moralische Verpflichtung" gewesen, sondern auch ein Gebot der Humanität und christlichen Nächstenliebe.
Der Hamburger Mediziner Johann Friedrich S. sagte, er hoffe um eine "Entscheidung im Sinne der Selbstbestimmungsfreiheit der Bürger".
Das Thema Sterbehilfe beschäftigt derzeit auch das Bundesverfassungsgericht. Das höchste deutsche Gericht in Karlsruhe verhandelte im April zwei Tage öffentlich über das Verbot geschäftsmäßiger Sterbehilfe. Ein Urteil wird noch in diesem Jahr erwartet.
(W.Novokshonov--DTZ)