Tausende demonstrieren in Algier gegen Übergangsregierung
Wenige Tage vor dem Ende der Amtszeit des algerischen Übergangspräsident Abdelkader Bensalah haben tausende Menschen in Algier gegen die Regierung demonstriert. Neben Forderungen nach politischem Wandel wurden zum 57. Jahrestag der algerischen Unabhängigkeit am Freitag auch die Freiheitskämpfer des Algerienkrieges mit Sprechchören gewürdigt. Mehreren hundert Demonstranten gelang es, massive Polizeiabsperrungen vor dem zentralen Platz in der algerischen Hauptstadt zu überwinden. Seit Monaten gibt es in dem nordafrikanischen Land regelmäßig Massenproteste.
Die Demonstranten versammelten sich in der Nähe des Hauptpostamts der algerischen Hauptstadt. Dutzende Polizeitransporter und mit Helmen und Schutzschilden ausgerüstete Polizisten standen ihnen gegenüber. Laut Augenzeugen wurden rund ein Dutzend Demonstranten festgenommen.
Übergangspräsident Bensalah hatte am Mittwoch zum nationalen Dialog aufgerufen und der Protestbewegung die Neutralität von Staat und Militär zugesichert. Wer die Teilnehmer dieses Dialogs sein könnten, blieb unklar. Am kommenden Dienstag endet Bensalahs verfassungsgemäße Amtszeit. Der Übergangspräsident warnte in diesem Zusammenhang vor einem politischen Chaos.
"Wir werden nicht aufhören!" und "Befreit Algerien", skandierten die Demonstranten am Freitag. Auch Parolen gegen von einer "Mafiabande" organisierte Wahlen waren zu hören.
Die zuvor bereits auf den 4. Juli verschobene Präsidentschaftswahl war Anfang Juni erneut abgesagt worden. Der Verfassungsrat wies die beiden einzigen Bewerbungen für die Nachfolge des gestürzten Staatschefs Abdelaziz Bouteflika zurück und erklärte die Organisation der Wahl zum geplanten Datum für "unmöglich".
Das Datum für die geplante Präsidentschaftswahl am 4. Juli war ohnehin umstritten. Viele Demonstranten fordern, dass bisherige Vertraute des langjährigen Staatschefs Abdelaziz Bouteflika zunächst den Weg frei machen, um einen politischen Neustart zu ermöglichen.
Was als Protest gegen Präsident Bouteflika begann, ist mittlerweile zu einer Bewegung gegen die gesamte algerische Führungselite geworden. Bouteflika hatte nach heftigen Protesten im März auf eine Kandidatur für eine fünfte Amtszeit verzichtet, die Wahl zugleich aber auf unbestimmte Zeit verschoben. Schließlich beugte der 82-Jährige sich dem anhaltenden Druck der Straße und legte sein Amt Anfang April nieder.
Der Verfassungsrat bestimmte daraufhin den bisherigen Parlamentschef Bensalah zum Interimspräsidenten. Laut Verfassung hätte binnen 90 Tagen nach seiner Ernennung gewählt werden müssen. Bensalah hat jedoch angekündigt, er werde im Amt bleiben, bis eine Präsidentschaftswahl organisiert werde. Auch der Verfassungsrat schlug eine Verlängerung des Mandats vor.
Für Samstag ist ein Treffen des sogenannten Nationalen Forums für Dialog geplant, das sich aus politischen Parteien und Vertretern der Zivilgesellschaft jenseits von Bensalahs Umfeld zusammensetzt. Die Initiative strebe danach, die politische Krise zu beenden und "innerhalb eines angemessenen Zeitraums" eine Präsidentschaftswahl zu organisieren, erklärte Ex-Minister Abdelaziz Rahabi, der die Proteste unterstützt.
(P.Tomczyk--DTZ)