Zehntausende protestieren in Hongkong erneut gegen pekingtreue Führung
In Hongkong haben am Sonntag erneut zehntausende Menschen gegen die pekingtreue Führung der chinesischen Sonderverwaltungszone protestiert. Vor dem Bahnhof West Kowloon, der Hongkong mit dem chinesischen Festland verbindet, wandten sich die Demonstranten direkt an chinesische Touristen vom Festland. "Wir hoffen, dass sie unsere Forderungen mit nach China nehmen", sagte der 18-jährige Demonstrant Eddison Ng.
Mit auf Mandarin verfassten Protestlosungen demonstrierten die Aktivisten am Sonntag vor dem Bahnhof. Kritiker betrachten den Bahnhof als Symbol für den unrechtmäßigen Einfluss Pekings auf Hongkong. Obwohl die Station auf Hongkonger Gebiet liegt, gilt im Zollbereich und auf den Bahnsteigen chinesisches Recht.
Über Lautsprecher erklärten die Aktivisten, warum die Protestbewegung gegen die pekingtreue Regierung von Hongkongs Statthalterin Carrie Lam auch noch Wochen nach ihrem Beginn anhalte. "Weil die Hongkonger Regierung unsere Forderungen nicht beachtet", rief ein Mann in die Menge.
Mit Bluetooth schickten die Demonstranten ins Mandarin übersetzte Parolen an Mobiltelefone in der Umgebung. Die Amtssprache in Hongkong ist Kantonesisch, während auf dem Festland mehrheitlich Mandarin gesprochen wird.
Den Organisatoren zufolge gingen 230.000 Demonstranten auf die Straße, nach Polizeiangaben waren es 56.000. Es handelte sich um die erste große Kundgebung in Hongkong seit der vorübergehenden Erstürmung des Parlaments vor knapp einer Woche.
In Hongkong gibt es seit Wochen Proteste, die sich zunächst vor allem gegen ein geplantes und nun ausgesetztes Auslieferungsgesetz richteten. Dieses sollte auch Auslieferungen an Festland-China ermöglichen. Inzwischen richten sich die Proteste auch generell gegen die pekingtreue Führung.
Auf dem chinesischen Festland, wo Medien einer strengen Zensur unterworfen sind, werden die Proteste als gewalttätig und von ausländischen Regierungen finanziert dargestellt.
Der chinesische Botschafter in Großbritannien sagte am Sonntag der BBC, das Auslieferungsgesetz sei notwendig, um "Schlupflöcher zu stopfen". Peking habe "höchstes Vertrauen in die Regierung von Hongkong".
Zuvor hatte Peking Hongkongs Polizei aufgerufen, Demonstranten zu verfolgen, die an der vorübergehenden Erstürmung des Parlaments vor knapp einer Woche und anderen Konfrontationen mit der Polizei beteiligt waren.
(M.Dylatov--DTZ)