Studie: Schließung von Kliniken könnte Gesundheitsversorgung verbessern
Eine großangelegte Schließung von Krankenhäusern könnte dazu beitragen, die Versorgung der Patienten in Deutschland zu verbessern: Zu diesem Schluss kommt eine von der Bertelsmann-Stiftung am Montag veröffentlichte Studie. Empfohlen wird darin die Schließung von 800 der rund 1400 Kliniken in Deutschland. Die Forderung stieß allerdings auf Widerspruch bei Vertretern der großen Koalition, der Linken und der Gesundheitsverbände.
Viele Krankenhäuser seien zu klein und verfügten nicht über die nötige Ausstattung und Erfahrung, kritisierten die Studienautoren. Bei 57 Prozent aller deutschen Krankenhäuser handle es sich um kleine Kliniken mit weniger als 200 Betten. Viele könnten lebensbedrohliche Notfälle wie einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall nicht angemessen behandeln, schreiben die Studienautoren. Eine Verringerung könnte demnach sogar Todesfälle vermeiden.
Das Berliner Institut für Gesundheits- und Sozialforschung (Iges), das die Studie für die Bertelsmann Stiftung erstellte, erwartet von den Schließungen bessere Ausstattung, höhere Spezialisierung sowie bessere Betreuung. Konkret müssten Krankenhäuser mindestens 200 Betten haben und technisch sowie personell für umfassende Notfallbehandlungen von Patienten mit Herzinfarkt oder Schlaganfällen ausgerüstet sein.
Fachabteilungen sollten dabei mindestens 25 Betten haben. Das Institut stellte bei der Studie explizit nicht die Erreichbarkeit eines Krankenhauses in den Vordergrund, sondern Kriterien wie die Notfallversorgung und die technische Ausstattung.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) plädierte in Reaktion auf die Studie für einen "guten Mix aus wohnortnaher Versorgung und Spezialisierung". Nicht jedes Krankenhaus müsse alles machen.
"Kompliziertere Fälle gehören in ein Krankenhaus, das in der Behandlung Routine hat", erklärte er. Denn die Qualität einer Behandlung hänge stark mit der Erfahrung des Krankenhauses zusammen. Jenen Krankenhäusern, denen diese nötige Routine fehlt, stehe bereits jetzt keine Vergütung für diese Behandlung zu.
Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach bezeichnete es in der "Augsburger Allgemeinen" (Dienstagsausgabe) als "falsch", mehr als die Hälfte aller Kliniken zu schließen."Richtig ist aber, dass es nicht genügend Ärzte und Pflegepersonal gibt, um alle bestehenden Häuser in hoher Qualität weiterbetreiben zu können." Überkapazitäten gebe es vor allem in Städten, hier seien Fusionen oder Schließungen denkbar. "Auf dem Land aber droht vielerorts eine Unterversorgung."
Unionsfraktionsvize Georg Nüßlein (CSU) sagte dem Blatt: "Wir haben zu viele Betten, das heißt nicht, dass wir zu viele Krankenhäuser haben." Scharfe Kritik kam von den Linken: "Die Vorschläge der marktradikalen Bertelsmann Stiftung sind ein Anschlag auf die Menschen in den ländlichen Regionen", erklärte Parlamentsgeschäftsführer Jan Korte. Nötig seien deutlich mehr Krankenhäuser in öffentlicher Hand.
Die Bundesärztekammer verwies darauf, dass die Regierungskommission zu gleichwertigen Lebensverhältnissen kürzlich die Bedeutung einer wohnortnahen Gesundheitsinfrastruktur herausgestellt habe.
"Da ist es schon mehr als befremdlich, wenn die Bertelsmann-Stiftung jetzt pauschal die Schließung von 800 Krankenhäusern fordert, erklärte Ärztekammerpräsident Klaus Reinhardt. In Ballungsgebieten mit erhöhter Krankenhausdichte könne es aber sinnvoll sein, dass Ärzte und Pflegepersonal in größeren Strukturen Patienten behandeln.
Nach Ansicht der Deutsche Stiftung Patientenschutz wäre die Schließung von 800 Kliniken ein "Kahlschlag". "Das mag wissenschaftlich begründet sein, wäre für die Menschen aber verheerend", sagte Stiftungsvorstand Eugen Brysch zu AFP.
(W.Novokshonov--DTZ)