Im Iran inhaftierte britisch-iranische Staatsbürgerin in Psychiatrie verlegt
Die im Iran inhaftierte britisch-iranische Staatsbürgerin Nazanin Zaghari-Ratcliffe ist in eine Psychiatrie verlegt worden. Sie sei vom Teheraner Evin-Gefängnis in die psychiatrische Abteilung eines Krankenhauses der Hauptstadt gebracht worden, erklärte ihr Unterstützerkomitee am Mittwoch. Kollegen der kürzlich ebenfalls im Iran festgenommenen französisch-iranischen Wissenschaftlerin Fariba Adelkhah betonten derweil deren Unschuld.
Im Iran sind derzeit eine ganze Reihe westlicher Staatsbürger iranischer Herkunft in Haft. Wie im Fall von Zaghari-Ratcliffe erkennt der Iran die doppelte Staatsbürgerschaft nicht an und betrachtet die Häftlinge allein als Iraner. Zaghari-Ratcliffe war im April 2016 bei einem Familienbesuch festgenommen worden. Später wurde die 40-jährige Mutter einer kleinen Tochter wegen "Versuchs zum Sturz der Regierung" zu fünf Jahren Haft verurteilt.
Der Fall belastet seit Jahren das Verhältnis zu Großbritannien. Die Situation wurde noch verschärft, als Anfang November 2017 der damalige britische Außenminister Boris Johnson sagte, die Mitarbeiterin der Stiftung Thomson Reuters habe im Iran "nur Leute in Journalismus unterrichtet". Ihr Arbeitgeber wies die Behauptung zurück. Ihr Ehemann forderte eine Entschuldigung von Johnson, der derzeit als neuer britischer Premierminister im Gespräch ist.
Ein Psychiater empfahl kürzlich wegen der erheblichen Verschlechterung des Gesundheitszustands von Zaghari-Ratcliffe deren Unterbringung in der Psychiatrie. Sie hatte kürzlich zum fünften Geburtstag ihrer Tochter einen zweiwöchigen Hungerstreik abgehalten. Laut ihrer Familie beklagte sie, dass sie "gesund und glücklich" gewesen sei, als sie in den Iran gekommen sei. Nun dagegen werde sie in die Psychiatrie eingeliefert.
Ihr Ehemann Richard Ratcliffe sagte am Mittwoch dem britischen Radiosender BBC 4, womöglich sei die Verlegung seiner Frau in die Psychiatrie ein Schritt zu ihrer Freilassung. Er sei jedoch "beunruhigt", dass sie im Krankenhaus von Mitgliederen der Revolutionsgarden bewacht werde, sagte Ratcliffe. Laut ihren Unterstützern werden Häftlinge während der Behandlung gewöhnlich von normalen Wärtern bewacht.
Dem Iran wird immer wieder vorgeworfen, westliche Häftlinge wie Zaghari-Ratcliffe als Druckmittel bei Verhandlungen zu benutzen. Anfang Juni nahm die iranische Justiz auch die renommierte Forscherin Fariba Adelkhah fest, wie Frankreich am Montag bekannt gab. Die iranische Justiz bestätigte ihre Festnahme, nannte aber keine Begründung. Ihre Verhaftung fällt mitten in den Konflikt um das internationale Atomabkommen mit Teheran.
Der Iran sei "ein kompliziertes Land und der aktuelle Kontext ist auch kompliziert", sagt Adelkhahs früherer Doktorvater Jean-Pierre Digard am Mittwoch der Nachrichtenagentur AFP. Er sei "bestürzt" und "ratlos" über die Festnahme der 60-jährigen Wissenschaftlerin der renommierten Pariser Hochschule Sciences Po, die 1977 für ihr Studium nach Frankreich gekommen war. Der gegen sie geäußerte Spionage-Verdacht sei "absurd", sagte Digard.
Ihr Kollege und Freund Jean-Francois Bayart sagte, Adelkhah sei keineswegs eine Oppositionelle. "Sie hat es immer abgelehnt, das Regime zu verurteilen", sagte er. "Es ist eine freie Forscherin, die kein Blatt vor den Mund nimmt." In den vergangenen 18 Monaten habe die Anthropologin und Expertin für den schiitischen Islam, die intensiv zur iranischen Gesellschaft gearbeitet habe, praktisch die Hälfte ihrer Zeit im Iran verbracht.
Die iranische Regierung begegnet westlichen Journalisten und Wissenschaftlern seit jeher mit Misstrauen. Arbeitsvisen werden nur sehr restriktiv erteilt und ihre Arbeit im Land genau überwacht. Immer wieder werden Forscher festgenommen oder ausgewiesen. Wie Bayart sagte, hatte Adelkhah nach der Festnahme der französischen Studentin Clotilde Reiss im Jahr 2009 gesagt, im Iran werde "jeder Forscher als 007 betrachtet".
(S.A.Dudajev--DTZ)