Sea-Watch-Kapitänin Rackete appelliert nach Anhörung in Sizilien an die EU
Die in Italien vorübergehend festgenommene deutsche Kapitänin Carola Rackete hat nach einer Anhörung bei der Staatsanwaltschaft auf Sizilien erneut an die EU appelliert: Alle europäischen Länder müssten "künftig gemeinsam daran arbeiten, alle von der zivilen Flotte geretteten Menschen aufzunehmen", sagte Rackete am Donnerstag. Die italienische Staatsanwaltschaft wirft der 31-Jährigen Beihilfe zur illegalen Einwanderung vor sowie das Eindringen in italienische Gewässer trotz eines offiziellen Verbots.
Die Anhörung der Sea-Watch-Kapitänin in der Stadt Agrigent war von einem großen Medienrummel begleitet. "Ich bin sehr froh, die Gelegenheit bekommen zu haben, die Umstände der von uns am 12. Juni durchgeführten Rettung im Detail zu schildern", sagte Rackete beim Verlassen des Justizpalastes.
Mit Blick nach Brüssel fügte sie an: "Ich hoffe wirklich, dass die nun vom Parlament gewählte Europäische Kommission ihr Bestes tun wird, um die Wiederholung einer solchen Situationen zu verhindern."
Rackete war am 29. Juni festgenommen worden, nachdem sie ihr Schiff "Sea-Watch 3" mit 40 Flüchtlingen an Bord in den Hafen von Lampedusa gesteuert hatte, obwohl Italiens rechtsradikaler Innenminister Matteo Salvini das Anlegen jeglicher Rettungsschiffe aus dem Mittelmeer in italienischen Häfen verboten hatte. Dabei stieß die "Sea-Watch 3" gegen ein Schnellboot der Küstenwache, welches das Schiff am Anlegen hindern wollte. Rackete begründete ihr Vorgehen mit der verzweifelten Lage der Menschen an Bord, nachdem sich über zwei Wochen lang kein Hafen zur Aufnahme der "Sea-Watch 3" bereiterklärt hatte.
Wenige Tage später erklärte ein italienisches Gericht die Festnahme der deutschen Kapitänin für ungültig. Eine Richterin entschied, die 31-Jährige habe lediglich Menschenleben retten wollen.
Das Verfahren gegen Rackete wurde aber fortgesetzt. Bei der Staatsanwaltschaft sollte Rackete am Donnerstag erklären, warum sie die Flüchtlinge aus dem Mittelmeer rettete, ohne auf die libysche Küstenwache zu warten, und warum sie dann mit ihrem Schiff nicht einen libyschen oder tunesischen Hafen ansteuerte.
Menschenrechtsorganisationen und auch die UNO kritisieren die Zustände in libyschen Flüchtlingslagern als menschenverachtend und lebensgefährlich. Viele Hilfsorganisationen lehnen daher ein Zurückschicken von Migranten in das nordafrikanische Land strikt ab. Auch die libysche Küstenwache steht massiv in der Kritik.
Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) werden derzeit mindestens 5200 Menschen in offiziellen Internierungslagern in Libyen festgehalten. Wie viele in illegalen Lagern gefangen gehalten werden, ist nicht bekannt.
Wie die Nichtregierungsorganisation FTDES mitteilte, hat sich die Zuwanderung von Migranten aus Libyen nach Tunesien in den ersten sechs Monaten dieses Jahres gegenüber dem Vergleichszeitraum 2018 mehr als verdoppelt. Laut FTDES kamen zwischen Januar und Juni 1008 Migranten über die libysch-tunesische Grenze.
Unabhängige UN-Experten appellierten an die italienischen Behörden, "der Kriminalisierung der Seenotrettung ein Ende zu setzen".
Vergangene Woche hatte Rackete Klage gegen Salvini wegen Verleumdung und Anstachelung zur Gewalt eingereicht. Nach eigenen Angaben wurde Rackete infolge von Salvinis Attacken in den sozialen Medien sexistisch beleidigt und mit Gewalt bedroht. Salvini hatte Rackete unter anderem als "verbrecherische Kapitänin" bezeichnet.
(A.Nikiforov--DTZ)