EU und USA verurteilen Festnahmen bei Kundgebung der Opposition in Moskau
Die Festnahme von knapp 1400 oppositionellen Demonstranten in Moskau ist international auf scharfe Kritik gestoßen. Die EU und die USA verurteilten den gewaltsamen Polizeieinsatz und beklagten einen Verstoß gegen demokratische Grundrechte. Nach Angaben der Nichtregierungsorganisation OWD-Info waren am Samstag bei der nicht genehmigten Kundgebung für freie Kommunalwahlen in Moskau 1373 Menschen von der Polizei abgeführt worden. Auch mehrere Oppositionspolitiker wurden festgenommen.
Nach offiziellen Angaben hatten am Samstag rund 3500 Menschen an der Demonstration in der Nähe des Moskauer Rathauses teilgenommen. "Das ist unsere Stadt" und "Wir wollen freie Wahlen", riefen sie. Die Einsatzkräfte riegelten den Platz vor dem Rathaus ab und gingen mit großer Härte gegen die Demonstranten vor. Dabei setzten sie auch Schlagstöcke ein. Mehrere Menschen erlitten nach Angaben von Menschenrechtsaktivisten Nasenbrüche und Verletzungen am Kopf.
OWD-Info sprach von der größten Zahl an Festnahmen seit den Massenprotesten gegen die Wiederwahl von Wladimir Putin ins Präsidentenamt im Jahr 2012. Die Polizei erklärte derweil, es seien 1074 Menschen wegen "verschiedener Vergehen" während der Demonstration in Gewahrsam genommen worden.
Die Protestkundgebung richtete sich gegen den Ausschluss zahlreicher Oppositionskandidaten von der für September geplanten Kommunalwahl in Moskau. Sie dürfen wegen angeblicher formaler Mängel nicht antreten. Auch in anderen russischen Städten wurden Oppositionskandidaten von Kommunalwahlen ausgeschlossen, unter anderem in St. Petersburg. "Ich hatte mein ganzes Leben lang Angst, aber genug ist genug", sagte die Rentnerin Elena Rastowka während der Demonstration in Moskau. "Wenn wir zu Hause bleiben, wird sich nichts ändern."
Die EU verurteilte das Vorgehen der Moskauer Polizei. Die Festnahmen und der "unverhältnismäßige Einsatz von Gewalt gegen friedliche Demonstranten" liefen den Rechten auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit zuwider, erklärte eine EU-Sprecherin.
Die US-Botschaft in Moskau kritisierte ebenfalls die "unverhältnismäßige Polizeigewalt". Der Einsatz gegen die Demonstranten untergrabe "das Recht der Bürger, sich am demokratischen Prozess zu beteiligen", schrieb Botschaftssprecherin Andrea Kalan im Online-Dienst Twitter. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International verlangte die "sofortige Freilassung friedlicher Demonstranten".
Schon vor einer Woche hatten mehr als 20.000 Menschen in der russischen Hauptstadt für freie und faire Kommunalwahlen demonstriert - es war die größte Kundgebung seit Jahren. In den folgenden Tagen verschärften die Behörden ihr Vorgehen gegen die Opposition. Der prominente Kreml-Kritiker Alexej Nawalny wurde am Mittwoch zu 30 Tagen Haft verurteilt, weil er zu neuen Protesten aufgerufen hatte.
Am Sonntag wurde Nawalny wegen einer "schweren allergischen Reaktion" ins Krankenhaus gebracht, wie seine Sprecherin bei Twitter mitteilte. Das Gesicht des 43-Jährigen sei rot und angeschwollen, die Ursache sei unklar.
Auch mehrere von der Kommunalwahl in Moskau ausgeschlossene Oppositionskandidaten wurden vor oder während der Protestkundgebung am Samstag in Gewahrsam genommen. "Die Behörden haben jeglichen Sinn für Vernunft verloren", schrieb einer von ihnen, Ilja Jaschin, im Kurzbotschaftendienst Twitter. Jaschin und das Team von Oppositionsführer Nawalny riefen für das kommende Wochenende zu weiteren Protesten auf.
(P.Tomczyk--DTZ)