Scholz begründet Kandidatur für Parteivorsitz mit Verzicht anderer SPD-Promis
Bundesfinanzminister Olaf Scholz will für den SPD-Vorsitz kandidieren, weil sich bislang noch kein anderer aus der ersten Reihe der Partei dazu bereit erklärt hat. "Natürlich hat mich die Debatte über die Frage bewegt, warum aus der Spitze der Partei keiner antritt", sagte Scholz der "Bild am Sonntag". Beim Tag der offenen Tür der Bundesregierung verteidigte er dann ausdrücklich seine Kehrtwende in der Frage einer Kandidatur für den SPD-Vorsitz.
"Es tut der SPD nicht gut, wenn es so rüberkommt, als ob sich keiner traut", sagte Scholz der "BamS". "Das stimmt ja nicht. Auch nicht für mich." Scholz hatte mit Verweis auf seine Regierungsämter und die dadurch entstehende Zeitbelastung eine Kandidatur lange ausgeschlossen. Er werde nun auch während der Kandidatur mit den 23 Regionalkonferenzen das Finanzministerium leiten, sagte er der "BamS".
Mit Blick auf seine Kehrtwende sagte Scholz am Sonntag in Berlin, wer eine einmal getroffene Entscheidung nicht überdenke, nehme Führungsaufgaben nicht ordentlich wahr. Angesichts der Bedeutung, die die SPD für Deutschland habe, wäre es nicht verantwortlich gewesen, nicht bereit zu stehen.
Der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) kritisierte unterdessen das Verfahren zur Wahl der neuen SPD-Spitze. "Optimal ist das ganz bestimmt nicht, was wir gerade erleben", sagte Weil am Wochenende im Deutschlandfunk. Das Verfahren habe bereits auch zu einer "spürbaren Verunsicherung in der eigenen Mitgliedschaft" geführt.
"Am Anfang gab es ja fast nur Aussagen, wer nicht zur Verfügung steht", beklagte Weil. Das präge nun das gesamte Verfahren, fuhr er fort und sprach von einer "schwierigen Phase". Er selbst habe zwar keine Ambitionen, nach Berlin zu gehen, bekräftigte Weil. Endgültig ausschließen wollte er einen Wechsel aber nicht.
Nach dem Rückzug der ehemaligen Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles hatte sich die SPD entschieden, der Basis die Entscheidung über den künftigen SPD-Vorsitz zu überlassen. Interessenten können sich noch bis zum 1. September melden, danach werden die Mitglieder befragt.
Formal soll ein Parteitag über den SPD-Vorsitz entscheiden. Eine Reihe von Bewerbern will als Duo antreten, darunter der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius und die sächsische Integrationsministerin Petra Köpping.
Das Verfahren zur Suche einer Parteispitze kommt die SPD teuer zu stehen. SPD-Sprecher Philipp Geiger sagte der "Welt am Sonntag", die Partei rechne mit bis zu 1,7 Millionen Euro Ausgaben für Briefwahl, Saalmieten und Reisekosten. Erst 2018 hatte die SPD eine Summe in ähnlicher Größenordnung für ein Mitgliedervotum über die dritte Beteiligung an einer großen Koalition ausgegeben.
Seit Anfang 2018 verloren die Sozialdemokraten dem Blatt zufolge zudem mehr als 37.000 Mitglieder. Die Zahl der Genossen sei von damals 463.723 auf 426.352 Ende Juni dieses Jahres gesunken. Bei den Abgängen handele es sich keineswegs vorwiegend um Sterbefälle, sondern dem Vernehmen nach zum großen Teil um Austritte.
(A.Nikiforov--DTZ)