Deutsche Tageszeitung - Unsicherheit über politische Zukunft Italiens nach angekündigtem Conte-Rücktritt

Unsicherheit über politische Zukunft Italiens nach angekündigtem Conte-Rücktritt


Unsicherheit über politische Zukunft Italiens nach angekündigtem Conte-Rücktritt
Unsicherheit über politische Zukunft Italiens nach angekündigtem Conte-Rücktritt / Foto: ©

Nach dem angekündigten Rücktritt des italienischen Ministerpräsidenten Giuseppe Conte ist die politische Zukunft des Landes offen. Conte sagte in einer Rede vor dem Senat in Rom, er werde Präsident Sergio Mattarella noch am Dienstag über seinen Schritt informieren. Zugleich griff er Vize-Regierungschef Matteo Salvini von der rechtsradikalen Lega scharf an und kritisierte ihn als "verantwortungslos". Salvini zeigte sich unbeeindruckt von Contes Vorwürfen und sagte, er würde "alles wieder so machen".

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Wie es in Italien weitergeht, liegt zunächst in den Händen von Staatschef Mattarella. Er könnte das Parlament auflösen und eine Neuwahl ansetzen. Allerdings hatte er mehrfach darauf gepocht, dass eine Regierung im Amt sein muss, um im Schuldenstreit mit der EU den Haushaltsplan fertigzustellen.

Wahrscheinlich ist deshalb, dass er Beratungen mit den Parteien über die Bildung einer neuen Regierung beginnt. Mattarella könnte den parteilosen Conte bitten, vorerst im Amt zu bleiben und eine Übergangsregierung ohne die Lega zu führen.

Beobachter gehen davon aus, dass der Regierungschef aus der Krise gestärkt hervorgehen wird. Fünf-Sterne-Chef Luigi die Maio bezeichnete ihn in einem offenen Brief am Dienstag als "Diener der Nation, auf den Italien nicht verzichten kann".

Eine Übergangsregierung könnte den Haushaltsplan für 2020 ausarbeiten und so eine automatische Erhöhung der Mehrwertsteuer im nächsten Jahr verhindern. Dies gäbe der Fünf-Sterne-Bewegung Zeit, um eine Koalition mit der sozialdemokratischen Oppositionspartei PD zu schmieden. Die Idee dazu hatte der frühere Regierungschef Matteo Renzi, der immer noch Einfluss in der PD hat und damit auf seine früheren Gegner zugeht.

Um Skeptiker innerhalb der Fünf-Sterne-Bewegung für seinen Vorschlag zu gewinnen, versicherte Renzi am Dienstag, er würde dem möglichen Bündnis nicht angehören. Er deutete zudem an, die PD könnte diese Regierung auch unterstützen, wenn sämtliche Ministerposten mit Fünf-Sterne-Politikern besetzt würden.

Der frühere Regierungschef und ehemalige EU-Kommissionspräsident Romano Prodi brachte eine weitere Option ins Spiel. Er schlug eine pro-europäische "Regierung Ursula" vor, benannt nach der designierten EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Bei dieser Option würden sich Fünf-Sterne-Bewegung und PD mit der Forza Italia von Ex-Regierungschef Silvio Berlusconi verbünden.

In seiner Rede vor dem Senat kritisierte Conte Innenminister Salvini scharf: Als dieser vor knapp zwei Wochen die regierende Koalition aufkündigte, habe er "seine eigenen Interessen und die seiner Partei" verfolgt. Der Innenminister habe Italien damit "schweren Risiken" ausgesetzt.

Salvini habe beim Antritt der Regierung vor 14 Monaten zugesagt, im Fall von Differenzen über diese "in gutem Glauben und mit loyaler Zusammenarbeit" zu sprechen. Dieses "feierliche Versprechen" habe der rechtsradikale Politiker "verletzt", sagte der Regierungschef.

Conte kritisierte auch Salvinis Ziel einer baldigen Neuwahl. "Die Bürger wählen zu lassen ist die Essenz der Demokratie, sie jedes Jahr zur Wahl aufzurufen, ist verantwortungslos." Salvini strebt Neuwahlen noch im Oktober an. Seine Partei führt derzeit in den Umfragen und erreicht Zustimmungsraten von bis zu 38 Prozent.

Salvinis Forderung nach "uneingeschränkter Macht" erteilte Conte unter Verweis auf die faschistische Diktatur von Benito Mussolini eine klare Absage. "Wir brauchen keine vollständige Macht, sondern Anführer, die einen Sinn für die Institutionen haben", betonte Conte.

Lega-Chef Salvini hatte die Koalition mit der Fünf-Sterne-Bewegung am 8. August platzen lassen. Ein von seiner Lega-Partei eingereichter Misstrauensantrag gegen den parteilosen Conte scheiterte jedoch zunächst am Widerstand des bisherigen Koalitionspartner der Fünf-Sterne-Bewegung und der sozialdemokratischen Oppositionspartei PD.

(W.Novokshonov--DTZ)

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