Netanjahus Annexionspläne stoßen international auf Kritik
Die Ankündigung von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, im Falle seiner Wiederwahl das Jordantal im besetzten Westjordanland zu annektieren, hat international scharfe Kritik ausgelöst. Das Vorhaben untergrabe "die Aussichten auf einen dauerhaften Frieden" in Nahost, sagte ein EU-Sprecher am Mittwoch der Nachrichtenagentur AFP in Brüssel. Auch Saudi-Arabien wies das Vorhaben "kategorisch" zurück. In Israel sorgte indes der Zeitpunkt der Ankündigung eine Woche vor der vorgezogenen Parlamentswahl für Stirnrunzeln.
Netanjahu hatte am Dienstag angekündigt, im Falle seiner Wiederwahl das Jordantal im Westjordanland zu annektieren. Nach einem Wahlsieg werde er Israels Souveränität "sofort" auf das an der Grenze zu Jordanien gelegene Gebiet ausweiten. Das Jordantal macht rund ein Drittel des seit 1967 von Israel besetzten Palästinensergebiets aus.
"Die Politik des Baus und der Ausweitung von Siedlungen, einschließlich in Ost-Jerusalem, ist nach internationalem Recht illegal", sagte der EU-Sprecher. Auch die UNO hatte erklärt, eine Annexion werde international "keine rechtliche Auswirkung haben".
Saudi-Arabien verurteilte die Ankündigung scharf. Sie bedeute eine "sehr gefährliche Eskalation", die sich gegen das palästinensische Volk richte und eine "eklatante Verletzung" der UN-Charta und des Völkerrechts darstelle, hieß es in einer Erklärung des Königshauses in Riad am Mittwoch. Saudi-Arabien forderte eine Dringlichkeitssitzung der Außenminister der 57 Mitgliedstaaten der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC).
Auch die Türkei verurteilte die Pläne. Netanjahus "Wahlversprechen" sei "rassistisch", schrieb Außenminister Mevlüt Cavusoglu im Onlinedienst Twitter.
Aus Sicht der Palästinenser würde der Schritt nicht nur das Ende einer möglichen Zwei-Staaten-Lösung bedeuten. Netanjahus Pläne zerstörten auch "alle Aussichten auf einen Frieden", sagte Palästinenservertreterin Hanan Aschrawi. Der jordanische Außenminister Ayman Safadi warnte, der einseitige Schritt könne "die gesamte Region in die Gewalt" abgleiten lassen.
Nur drei Stunden nach seiner Ankündigung musste Netanjahu am Dienstagabend einen Wahlkampfauftritt in Aschdod im Süden des Landes wegen Raketenalarms abbrechen. Nach Angaben der Armee wurden zwei Raketen vom Gazastreifen aus in Richtung Aschdod abgeschossen, beide Raketen seien vom israelischen Luftabwehrsystem abgefangen worden.
Als Reaktion griff die israelische Luftwaffe nach eigenen Angaben in der Nacht zum Mittwoch Ziele der Hamas im Gazastreifen an. Die Bombenangriffe hätten 15 Zielen gegolten, darunter eine Waffenfabrik, erklärte die Armee.
Netanjahu, dem mehrere Anklagen unter anderem wegen Korruption drohen, kämpft um sein politisches Überleben. Für einen Sieg bei der Parlamentswahl am nächsten Dienstag ist er auf Wählerstimmen aus dem ultrarechten Lager und der jüdischen Siedlerbewegung angewiesen. Derzeit wird ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit seinem größten Rivalen erwartet, Ex-Generalstabschef Benny Gantz von der Mitte-Rechts-Liste Blau-Weiß.
In Israel wird eine Annexion des Jordantals von den rechten, Netanjahus Likud nahestehenden Parteien, aber auch einem Großteil seiner politischen Gegner unterstützt. Der Zeitpunkt der Ankündigung wurde jedoch kritisiert. Jair Lapid von Blau-Weiß erklärte, Netanjahu gehe es allein um Wählerstimmen. "Er war 13 Jahre lang Ministerpräsident, warum hat er es nicht schon getan?", fragte er mit Blick auf das Vorhaben.
Auch in der israelischen Presse wurde die Ankündigung kritisch aufgenommen. Mit seiner "arroganten Erklärung" löse Netanjahu "die wahren Probleme Israels" nicht, kommentierte die Zeitung "Jediot Ahronot".
Israel betrachtet das Jordantal als wichtige Verteidigungsbarriere. Nach Netanjahus Plänen sollen nach seiner Wiederwahl alle jüdischen Siedlungen im Jordantal sowie das "nördliche Tote Meer" annektiert werden - palästinensische Orte wie etwa Jericho blieben davon unberührt. Allerdings entsprechen die genannten Siedlungen etwa 90 Prozent des Gebiets.
(U.Stolizkaya--DTZ)