Erstmals Demonstrant in Hongkong von Polizei angeschossen
Erstmals ist bei den Protesten der Demokratie-Bewegung in Hongkong am Dienstag ein Demonstrant durch einen Polizeischuss verletzt worden. Nach Polizeiangaben sagte der Beamte aus, er habe dem 18-Jährigen in Notwehr in die Brust geschossen. Die Proteste vom Dienstag waren die gewalttätigsten seit dem Beginn der Massenproteste im Juni. In Hongkong warfen Demonstranten Eier auf ein Porträt des chinesischen Präsidenten Xi Jinping, während dieser in Peking eine gigantische Militärparade abnahm.
Trotz eines Demonstrationsverbots gingen in der chinesischen Sonderverwaltungszone Tausende auf die Straße, um gegen die Feiern zum 70. Jahrestag der Gründung der Volksrepublik China zu protestieren. Bei diversen Zusammenstößen mit der Polizei wurden nach Angaben der Gesundheitsbehörden dutzende Demonstranten verletzt. 66 Menschen wurden demnach ins Krankenhaus eingeliefert, zwei von ihnen sind in einem kritischen Zustand. Insgesamt nahm die Polizei nach eigenen Angaben mehr als 180 Menschen fest und feuerte sechs Schüsse ab.
Der Polizeischuss auf den 18-Jährigen erfolgte im Bezirk Tsuen Wan. Demonstranten waren zuvor mit Regenschirmen und Metallstangen auf die Einheit des Polizisten losgegangen. Der Schütze sagte nach Polizeiangaben aus, er habe um sein Leben gefürchtet, als er dem 18-jährigen Demonstranten aus nächster Nähe in die Brust schoss. Der Verletzte erhielt vor Ort von der Polizei erste Hilfe, bevor er in ein Krankenhaus gebracht wurde.
An anderen Stellen der Stadt wurden Polizisten und Reporter von Demonstranten mit ätzender Flüssigkeit verletzt. Andere Polizisten wurden von Demonstranten mit Gegenständen beworfen und in eine Halle gedrängt. Demonstranten warfen auch Steine und Brandbomben, die Polizei setzte Tränengas, Gummigeschosse und Wasserwerfer ein.
Die Zusammenstöße hielten mehrere Stunden an. Weil Demonstranten Barrikaden abbrannten, zog schwarzer Rauch durch die Stadt. Die Regierungschefin von Hongkong, Carrie Lam, nahm unterdessen in Peking an den Feierlichkeiten zum 70. Jahrestag der Volksrepublik China teil.
Die Europäische Union rief angesichts der Auseinandersetzungen in Hongkong zur "Deeskalation und Zurückhaltung" auf. Zwar seien schon einige "positive Schritte" in Richtung auf einen "Dialog" unternommen worden, aber es seien "weitere Anstrengungen" erforderlich, um das "Vertrauen wiederherzustellen", sagte EU-Sprecherin Maja Kocijancic.
Die britische Regierung warnte vor dem Einsatz von Schusswaffen. Zwar gebe es "keine Rechtfertigung für Gewalt", dennoch sei der Gebrauch von Schusswaffen "unverhältnismäßig", erklärte Außenminister Dominic Raab.
Großbritannien hatte die frühere Kronkolonie Hongkong 1997 an China zurückgegeben. Seither gilt das Prinzip "Ein Land - zwei Systeme", das den Bürgern Hongkongs Freiheiten garantiert, wie es sie in der Volksrepublik nicht gibt. Staatschef Xi sagte am Montag mit Blick auf die Proteste in Hongkong zu, am Prinzip "Ein Land - zwei Systeme" festzuhalten.
In Hongkong gibt es seit fast vier Monaten Massenproteste gegen die wachsende Einflussnahme der Regierung in Peking und die Beschneidung der Bürgerrechte. Die Proteste hatten sich anfänglich gegen ein geplantes Gesetz gerichtet, das Überstellungen von Verdächtigen an Festland-China vorsah. Mittlerweile richten sich die Proteste aber generell gegen die pekingtreue Führung in Hongkong und die Beschneidung der Demokratie.
(U.Beriyev--DTZ)