
Lange Haftstrafen für katalanische Unabhängigkeitsbefürworter

Neun Anführer der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung sind am Montag zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Neun der zwölf Angeklagten wurden vom Obersten Gerichtshof Spaniens wegen "Aufruhrs" und Veruntreuung öffentlicher Gelder zu Gefängnisstrafen zwischen neun und 13 Jahren verurteilt. Das Gericht stellte zudem erneut einen internationalen Haftbefehl gegen den früheren katalanischen Regionalpräsidenten Carles Puigdemont aus. Nach der Urteilsverkündung gingen in Barcelona tausende Unabhängigkeitsbefürworter auf die Straße.
Der Mammut-Prozess gegen die führenden Vertreter der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung hatte im Februar begonnen und spaltete das Land. Den Angeklagten wurde vorgeworfen, im Oktober 2017 ein von der spanischen Justiz als illegal eingestuftes Unabhängigkeitsreferendum organisiert zu haben.
Die höchste Strafe erhielt der frühere katalanische Vize-Regionalpräsident Oriol Junqueras mit 13 Jahren Haft. Die frühere Präsidentin des katalanischen Regionalparlaments, Carme Forcadell, wurde zu elf Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt. Gegen drei weitere Angeklagte wurden Geldstrafen in Höhe von 60.000 Euro verhängt.
Jordi Sànchez und Jordi Cuixart, Symbolfiguren der Unabhängigkeitsbewegung, wurden zu jeweils neun Jahren Haft verurteilt. Sie sind die Köpfe der zivilen Organisationen, die seit Jahren die Massen in Spanien für die Unabhängigkeit Kataloniens mobilisieren. Sànchez leitete die Katalanische Nationalversammlung (ANC), Cuixart steht an der Spitze der Kulturvereinigung Omnium Cultural.
Nach der Urteilsverkündung blockierten aufgebrachte Unabhängigkeitsbefürworter die Straßen Barcelonas. Bereits im Vorfeld hatten Aktivisten für den Fall einer Verurteilung eine Kampagne des "zivilen Ungehorsams" angekündigt. Die Zentralregierung verstärkte daraufhin die Polizeipräsenz in der Region.
Tausende versammelten sich am Mittag auf der Plaça de Catalunya, schwenkten die katalanische Fahne und hielten Schilder hoch, auf denen sie die Freilassung der "politischen Gefangenen" forderten. Im Anschluss marschierten sie zum Flughafen, um ihn zu blockieren. Dem Flughafenbetreiber Aena zufolge wurde der Flugverkehr nicht gestört, jedoch steckten viele Passagiere auf dem Weg zum Flughafen im Stau fest.
ANC und Omnium Cultural kündigten für den Abend weitere Kundgebungen in der gesamten Region an. Auch in den nächsten Tagen werden zahlreiche Proteste erwartet. Demonstranten in fünf Städten sollen zu einem Sternmarsch aufbrechen, der am Freitag in Barcelona mit einem Generalstreik enden soll.
Kurz nach der Verurteilung erließ der Oberste Gerichtshof erneut einen internationalen Haftbefehl gegen den ins Exil geflohenen ehemaligen katalanischen Regionalpräsidenten Carles Puigdemont. Puigdemont wird wegen "Aufruhrs" und der Veruntreuung öffentlicher Gelder gesucht. Er hatte nach dem Referendum die Unabhängigkeit Kataloniens von Spanien erklärt. Durch seine Flucht nach Brüssel entzog er sich aber der Strafverfolgung in Spanien.
Nach der Unabhängigkeitserklärung kam es zu Spaniens schlimmster politischer Krise seit Jahrzehnten. Die Zentralregierung stellte die Region unter Zwangsverwaltung und ließ zahlreiche Unabhängigkeitsbefürworter inhaftieren.
Der verurteilte Junqueras kündigte an, die katalanische Unabhängigkeitsbewegung werde "noch stärker" zurückkommen - "heute ist nichts vorbei", erklärte er in einem Schreiben an seine Unterstützer.
In Spanien wird am 10. November ein neues Parlament gewählt. Die Regierung von Ministerpräsident Pedro Sánchez hofft, das Ende des Gerichtsprozesses könne dem Dialog mit den Unabhängigkeitsbefürwortern neuen Antrieb geben. In einer Fernsehansprache rief Sánchez am Montag dazu auf, "ein neues Kapitel" aufzuschlagen, betonte aber auch, dass niemand über dem Gesetz stehe.
Die Partei von Junqueras, die Republikanischen Linken Kataloniens (ERC), betonte jedoch, ohne eine "Amnestie" für die "politischen Gefangenen und Exilanten" sei ein Dialog unmöglich.
Der FC Barcelona kritisierte die Haftstrafen für die neun Angeklagten. "Gefängnis ist nicht die Lösung", schrieb der Fußballverein im Onlinedienst Twitter.
(A.Nikiforov--DTZ)