
Französische Regierung zum Verzicht auf höheres Renteneintrittsalter bereit

Die französische Regierung ist bereit, vorerst auf den umstrittensten Punkt ihrer geplanten Rentenreform zu verzichten. Er sei bereit, die Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 64 Jahre aus dem Gesetzentwurf zu streichen, schrieb Premierminister Edouard Philippe am Samstag an Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände. In Frankreich gibt es seit Wochen Streiks und Proteste gegen die Rentenpläne. Am Samstag gingen nach Gewerkschaftsangaben allein in Paris 150.000 Menschen auf die Straße.
Mit dem Verzicht auf das höhere Renteneintrittsalter wolle er den Sozialpartnern sein "Vertrauen" beweisen, erklärte Philippe in dem Schreiben, das der Nachrichtenagentur AFP vorlag. Die größte Gewerkschaft CFDT begrüßte die Bereitschaft der Regierung, die Erhöhung des Renteneintrittsalters aus dem Gesetzentwurf zu streichen. Damit zeige die Regierung ihre "Kompromissbereitschaft". Die CFDT will nun weiter mit der Regierung verhandeln.
Auch die Gewerkschaft Unsa erklärte, der Verzicht auf das höhere Rentenalter sei eine "gute Sache". Damit ermögliche die Regierung, beim "Rest der Reform voranzukommen", erklärte Generalsekretär Laurent Escure.
Die einflussreiche CGT und andere Gewerkschaften wie die FO äußerten sich zunächst nicht. Sie fordern einen vollständigen Rückzug der Reformpläne, mit denen Präsident Emmanuel Macron das komplizierte System mit mehr als 40 Rentenkassen vereinheitlichen will. Ob die Regierung mit den Kompromissvorschlag den seit fünf Wochen andauernden Streiks ein Ende setzen kann, blieb daher zunächst unklar.
Die stufenweise Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 64 Jahren bis zum Jahr 2027 ist bislang der größte Streitpunkt in den Verhandlungen zwischen der Regierung und den Gewerkschaften.
Philippe hatte Gewerkschaften und Arbeitgeber am Freitag erneut zu Gesprächen über die Rentenreform empfangen. Nach dem Treffen sprach Philippe von "guten Fortschritten". Zugleich bekräftigte er sein Vorhaben, die umstrittene Reform bereits am 24. Januar im Kabinett verabschieden zu lassen. Danach soll der Gesetzestext nach den Plänen der Regierung am 17. Februar in die Nationalversammlung eingebracht werden.
Am Freitag hatte die französische Regierung zugleich erstmals den ausformulierten Gesetzestext für die Reform vorgelegt. Das höhere Rentenalter von 64 Jahren war darin noch enthalten. Philippe kündigte jedoch an, am Samstag "konkrete Vorschläge" für einen Kompromiss vorzulegen.
Mit der Reform will Macron auch das Milliarden-Defizit bei den Rentenkassen abbauen. Die CFDT hatte eine Finanzierungskonferenz vorgeschlagen, um Alternativen zur Anhebung des Rentenalters zu finden.
Diese Finanzierungskonferenz soll nach dem Willen von Philippe nun stattfinden und bis April Vorschläge vorlegen, wie der Premierminister in seinem Brief betonte. Wenn dies nicht gelinge, werde die Regierung wieder auf das höhere Rentenalter zurückkommen, warnte Philippe. "Ich möchte in diesem Punkt vollkommen klar sein: Ich werde die Verantwortung übernehmen", schrieb der Premierminister.
Am Samstag gab es in mehreren französischen Städten erneut Demonstrationen gegen die Rentenreform. In Paris beteiligten sich nach Angaben der CGT 150.000 Menschen an den Protesten. Am Rande des friedlichen Protestzugs der Gewerkschaften warfen maskierte oder vermummte Demonstranten Schaufensterscheiben ein und warfen Gegenstände in Richtung der Polizisten. Die Polizei setzte Tränengas ein und nahm bis zum Nachmittag sieben Menschen fest.
(W.Novokshonov--DTZ)