Leopoldina empfiehlt schrittweise Schulöffnung und Maskenpflicht im Personenverkehr
Schrittweise Schulöffnung, bessere Datensammlung, Maskenpflicht im Personenverkehr: In ihrer Funktion als Regierungsberaterin in der Corona-Krise hat die Nationalakademie Leopoldina Empfehlungen für die Rückkehr zur Normalität vorgelegt. Die Forscher schlugen am Montag vor, die Schulen "so bald wie möglich" wieder zu öffnen, zunächst für jüngere Kinder. Das Tragen einer Schutzmaske für den öffentlichen Personenverkehr solle Pflicht werden, die Datenerhebung auch mit Hilfe von Corona-Apps müsse "substanziell" verbessert werden.
Die 26-köpfige Arbeitsgruppe, darunter Leopoldina-Präsident Gerald Haug, der Wirtschaftsweise Lars Feld und der Soziologe Armin Nassehi, hält eine "rasche Eindämmung der Ausbreitung der Pandemie" weiterhin für die höchste Priorität. Auch wenn die Corona-Krise das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben noch auf Monate bestimmen werde, müssten nun Strategien für die allmähliche Rückkehr in die Normalität entwickelt werden.
Voraussetzungen für eine Lockerung seien: Die Neuinfektionen stabilisieren sich auf niedrigem Niveau, das Gesundheitssystem wird nicht überlastet, Infizierte werden zunehmend identifiziert, die bekannten Schutzmaßnahmen werden "diszipliniert eingehalten".
"Da die Jüngeren im Bildungssystem mehr auf persönliche Betreuung, Anleitung und Unterstützung angewiesen sind, sollten zuerst Grundschulen und die Sekundarstufe I wieder schrittweise geöffnet werden", schrieben die Forscher in ihrer dritten Ad-hoc-Stellungnahme zur Corona-Pandemie. Die Möglichkeiten des Fernunterrichts könnten "mit zunehmendem Alter besser genutzt werden". Prüfungen sollten aber "wenn eben möglich" abgehalten werden.
Die Leopoldina setzt auf "deutlich reduzierte Gruppengrößen", um das Abstandsgebot besser einhalten zu können. Sie empfiehlt, in der Grundschule den Schwerpunkt auf Deutsch und Mathematik zu setzen. Zudem sollten zunächst die Abschlussklassen wieder zur Schule gehen, um den Übergang in die weiterführenden Schulen vorzubereiten.
Der Betrieb in Kindertagesstätten sollte "nur sehr eingeschränkt wiederaufgenommen werden". Kleinere Kinder könnten sich nicht an die Distanzregeln und Schutzmaßnahmen halten, gleichzeitig aber die Infektion weitergeben können, hieß es zur Begründung. Gesellschaftliche, kulturelle und sportliche Veranstaltungen sollten "in Abhängigkeit von der möglichen räumlichen Distanz und den Kontaktintensitäten der Beteiligten (...) nach und nach wieder ermöglicht werden".
Dagegen wäre eine vorbeugende "Segregation" einzelner Bevölkerungsgruppen, beispielsweise älterer Menschen, allein zu deren eigenem Schutz als "paternalistische Bevormundung" abzulehnen.
Zur allmählichen Rückkehr zum Alltag gehöre auch, dass "zunächst zum Beispiel der Einzelhandel und das Gastgewerbe wieder öffnen sowie der allgemeine geschäftliche und behördliche Publikumsverkehr wiederaufgenommen werden". Darüber hinaus könnten dienstliche und private Reisen unter Beachtung der genannten Schutzmaßnahmen unternommen werden.
Apps zur freiwilligen Mitteilung von Symptomen und Informationen zum eigenen Krankheitsverlauf könnten nützliche Daten liefern, so die Forscher. Die Daten könnten "in Echtzeit" verarbeitet werden und so verlässlichere Kurzzeitprognosen ermöglichen. Die Datenspende-App solle kombiniert werden mit der geplanten Tracking-App, die das Nachverfolgen der Kontakte von Infizierten ermöglicht.
Die Stellungnahme der Leopoldina ist eine wichtige Grundlage für die Beratungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Ministerpräsidenten am Mittwoch. Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) erklärte, die Nationalakademie habe eine "exzellente Beratungsgrundlage" für die nächsten Tage geliefert.
Saar-Ministerpräsident Tobias Hans forderte einen "Masterplan für den Umgang mit dem Coronavirus in den nächsten Wochen und Monaten". Ähnlich äußerte sich die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD). "Es gibt kein schnelles Zurück zum Alltag, wie wir ihn vor Corona kannten", sagte sie den Funke-Zeitungen.
FDP-Fraktionsvize Michael Theurer nannte die Stellungnahme der Leopoldina "eine schallende Ohrfeige für die Bundesregierung wegen der immer noch fehlenden freiwilligen Corona-App".
(P.Tomczyk--DTZ)