Prozess um rechte Drohmails von Bombendrohung überschattet
Der Auftakt des Prozesses gegen den mutmaßlichen Urheber einer Serie rechtsextremer Drohschreiben ist am Berliner Landgericht am Dienstag von einer Bombendrohung überschattet worden. Noch vor Verlesung der Anklage unterbrach die Kammer am Nachmittag deswegen die Verhandlung. In einem kurz vor Verhandlungsbeginn eingegangenen Fax hieß es laut einer Gerichtssprecherin, rund um den ursprünglich für die Verhandlung vorgesehenen Saal seien zahlreiche Sprengsätze deponiert.
Demnach stand über dem Schreiben "NSU 2.0" und darunter "Heil Hitler". Das Gericht überprüfte das Schreiben, bevor Entwarnung gegeben wurde. Nach rund anderthalb Stunden konnte der Prozess mit der Verlesung der Anklage fortgesetzt werden. Bereits vor Eingang des Faxes war der Prozess in einen anderen Saal verlegt worden.
Der 32-jährige André M. soll zwischen Oktober 2018 und April 2019 bundesweit Drohschreiben an Gerichte, Behörden, Polizeidienststellen, Einkaufszentren, Presseorgane und Mitglieder des Bundestags verschickt haben. In den E-Mails, die meist mit "NationalSozialistischeOffensive" unterzeichnet waren, wurden laut Generalstaatsanwaltschaft Sprengstoffanschläge und weitere Tötungsdelikte angedroht.
M. soll beabsichtigt haben, öffentlichkeitswirksame Reaktionen hervorzurufen, um die Bevölkerung zu beunruhigen. Dies sei ihm teilweise gelungen - beispielsweise, als Anfang 2019 mehrere Gerichtsgebäude wegen der Mails geräumt oder mit Sprengstoffhunden durchsucht wurden. Viele seiner Drohungen nahmen die Adressaten jedoch nicht ernst.
Die Berliner Ermittler leiten seit Januar 2019 federführend die Ermittlungen zu der Serie von Drohschreiben, die auch mit "NSU 2.0" oder "Wehrmacht" unterzeichnet waren. Nach M.s Festnahme im April vergangenen Jahres war die Serie jedoch nicht zu Ende: Ein Drohschreiben damals richtete sich auch an die Berliner Generalstaatsanwaltschaft, die von mindestens zwei Tätern ausging.
Im Prozess werden dem Angeklagten in 107 Taten unter anderem die Störung des öffentlichen Friedens durch die Androhung von Straftaten, Nötigung sowie versuchte räuberische Erpressung und Bedrohung vorgeworfen. Bis Anfang September sind mehr als 20 Verhandlungstermine vorgesehen.
(S.A.Dudajev--DTZ)