Tausende protestieren in Sarajevo gegen Messe für kroatische Faschisten
In Sarajevo haben am Samstag tausende Demonstranten gegen eine Gedenkmesse für kroatische Nazi-Kollaborateure protestiert. Während der Erzbischof von Sarajevo, Vinko Puljic, die Messe in der Kathedrale der bosnischen Hauptstadt feierte, marschierten die Demonstranten an einem Mahnmal für 55 im Zweiten Weltkrieg hingerichtete Antifaschisten vorbei.
Angesichts der scharfen Kritik vieler Parteien, der serbisch-orthodoxen Kirche und jüdischer Verbände hatte Puljic die Messe mit den Worten verteidigt, das Beten für die Seelen der Toten bedeute keine Zustimmung zu ihren Taten. Am Samstag sagte der Erzbischof dann in der Kathedrale, er wolle die "doppelten Standards" bei der Beurteilung von Opfern von Hass und Massakern beenden.
Die Demonstranten außerhalb der Kathedrale stimmten Lieder aus der Zeit des Widerstands gegen die Nazis an. Am Mahnmal zeigten sie ein Foto von den 55 Antifaschisten, die im März 1945 vom kroatischen Ustascha-Regime hingerichtet worden waren.
Der an der Seite von Hitler-Deutschland kämpfende "Unabhängige Staat Kroatien" (NDH) verfolgte und tötete während des Zweiten Weltkriegs hunderttausende Serben, Juden und antifaschistische Kroaten. Der NDH umfasste damals Bosnien und Teile Serbiens.
Gegen Kriegsende flohen Angehörige der Ustascha-Miliz zusammen mit Zivilisten sowie slowenischen und serbischen Kollaborateuren nach Österreich, um sich den britischen Streitkräften zu ergeben. Die Briten lehnten die Kapitulation jedoch ab.
Die Ustascha-Angehörigen wurden von kommunistischen Partisanen unter der Führung von Josip Broz Tito in der Grenzregion zwischen Österreich und Slowenien gefangen genommen und getötet. Die Zahl der Toten ist umstritten, Historiker schätzen sie jedoch auf zehntausende.
Jedes Jahr im Mai finden in der Nähe der südösterreichischen Grenzstadt Bleiburg Gedenkfeiern statt, bei denen immer wieder auch Nazi-Insignien gezeigt werden. Die Veranstaltungen stehen unter der Schirmherrschaft des kroatischen Parlaments und werden von der katholischen Kirche in Bosnien und Kroatien mitorganisiert.
In diesem Jahr konnte die Feier aufgrund der Coronavirus-Pandemie nicht in Bleiburg abgehalten werden. Stattdessen wurde die Gedenkmesse in Sarajevo angesetzt.
(I.Beryonev--DTZ)