Frankreichs Präsident Macron laufen die Abgeordneten davon
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron laufen immer mehr Abgeordnete davon: Zum zweiten Mal innerhalb von sieben Tagen kündigten Mitglieder seiner Partei La République en Marche (LREM, die Republik in Bewegung) am Dienstag die Gründung einer eigenen Fraktion in der Nationalversammlung an. Macrons Kurs ist in der Corona-Krise massiv umstritten.
Die neu gegründete Gruppe namens "Agir Ensemble" (Gemeinsam handeln) umfasst 17 Abgeordnete. Sie stammen mehrheitlich aus dem Mitte-Rechts-Lager sowie aus Macrons Partei LREM. Aus der Fraktion des Präsidenten kommen sieben Parlamentarier, die LREM hat nun nur noch 281 Unterhaus-Sitze - acht weniger als die absolute Mehrheit von 289 Sitzen.
Ihre absolute Mehrheit hatte Macrons Partei zuvor bereits eingebüßt: Vor einer Woche spaltete sich eine erste Gruppe von Parlamentariern ab und schloss sich einer neuen sozial-ökologischen Fraktion an. Sie forderten von Macron massive Investitionen in das angeschlagene Gesundheitssystem und mehr Engagement für Umwelt und Soziales.
Die nun neu gebildete Fraktion "Agir Ensemble" unter ihrem Vorsitzenden Olivier Becht will "konstruktiv" mit Macrons Partei zusammenarbeiten und Gesetzesprojekte wahlweise unterstützen. Die politischen Vorhaben des Präsidenten sind dadurch nicht gefährdet: Macrons Partei kann weiter auf die Unterstützung der verbündeten Liberalen sowie der gemäßigten Konservativen zählen.
Allerdings hat Macron selbst bereits angekündigt, dass er Lehren aus der Pandemie ziehen will. Die Regierung stellte zu Wochenbeginn höhere Gehälter für das Krankenhauspersonal und eine Nachbesserung der Gesundheitsreform in Aussicht, mit der das Milliardendefizit der Kliniken abgebaut werden soll.
Viele Wähler lasten dem Präsidenten die mehr als 28.400 Corona-Todesopfer in Frankreich und den Wirtschaftseinbruch an. Laut einer neuen Odoxa-Umfrage halten ihn nur noch 35 Prozent für einen "guten Präsidenten" - sieben Prozent weniger als vor einem Monat. Bereits zuvor waren seine Zustimmungswerte während der Massenproteste gegen die Rentenreform und der vorausgehenden "Gelbwesten"-Proteste gesunken.
Erster Stimmungstest wird die zweite Runde der Kommunalwahlen am 28. Juni. In der ersten Runde Mitte März hatten die Wähler der Präsidentenpartei einen Denkzettel erteilt, davon profitierten Grüne und Rechtspopulisten.
Macrons umstrittene Kandidatin für das Pariser Bürgermeisteramt, die frühere Gesundheitsministerin Agnès Buzyn, will ungeachtet der schlechten Aussichten in die Stichwahl Ende Juni gehen. Sie sei "vollends entschlossen, den Wahlkampf abzuschließen", erklärte sie. In der ersten Runde war sie abgeschlagen auf einem dritten Platz gelandet. Buzyn wird für Fehler in Macrons Gesundheitspolitik mitverantwortlich gemacht.
(I.Beryonev--DTZ)