EU-Kommission will Rezession in Corona-Krise mit 750 Milliarden Euro bekämpfen
Die EU-Kommission will die Wirtschaftskrise infolge der Corona-Pandemie mit einem riesigen Wiederaufbaufonds von 750 Milliarden Euro bekämpfen. Die Herausforderungen durch das Coronavirus seien "gewaltig, aber ebenso gewaltig ist die Chance für Europa", sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Mittwoch im EU-Parlament. Sie warb dafür, die Hilfen als "gemeinsame Investition in unsere Zukunft" zu sehen. Der Hauptteil der Gelder soll nach Italien und Spanien fließen.
Der Wiederaufbauplan soll den Mitgliedstaaten helfen, die schwerste Rezession in der Geschichte der EU schnell zu überwinden. Die Unterstützung gerade für finanziell schwächere Länder soll auch ein wirtschaftliches Auseinanderdriften der Union verhindern. Zur Finanzierung will die EU-Kommission selbst Schulden an den Finanzmärkten aufnehmen.
Ob die Pläne Realität werden, hängt von der Zustimmung der Mitgliedstaaten ab, unter denen Finanzierung und Art der Hilfen hoch umstritten sind. Deutschland und Frankreich hatten vorgeschlagen, über gemeinsame Schulden 500 Milliarden Euro als Zuschüsse bereitzustellen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erwartet langwierige Diskussionen über das von der EU-Kommission vorgeschlagene Wiederaufbauprogramm. "Dass das jetzt noch schwierige Verhandlungen werden, ist klar", sagte sie am Mittwoch in Berlin.
Merkel verwies darauf, dass der Vorschlag durchaus "Elemente" des von ihr und dem französischen Präsident Emmanuel Macron vorgelegten Konzepts für einen europäischen Aufbaufonds enthalte. Auch Teile aus den Vorschlägen von vier anderen EU-Mitgliedern seien übernommen worden, sagte Merkel mit Blick auf das Konzept von Österreich, Dänemark, Schweden und den Niederlanden.
Macron begrüßte den Vorschlag und forderte eine schnelle Einigung. Ein niederländischer Diplomat zeigte sich skeptisch: Der Vorschlag der Kommission müsse noch analysiert werden, doch sei bereits ersichtlich, dass die Positionen weit auseinander liegen, sagte er. Die Verhandlungen würden noch lange dauern.
Die Nettozahler Österreich, Dänemark, Niederlande und Schweden gelten bei den Plänen als wichtigste Gegenspieler Brüssels. Die selbsternannten "sparsamen Vier" lehnen "jegliche Vergemeinschaftung von Schulden" ab, wollen nur Kredite ausgeben und diese an Reformen in den Empfängerländer knüpfen.
"Der EU-Haushalt hat immer aus Zuschüssen bestanden. Das ist nichts Neues", sagte von der Leyen. Und das sei durchaus ein Erfolgskonzept, denn durch die EU sei der Wohlstand in allen Mitgliedstaaten gestiegen. Wer heute die nötigen Investitionen scheue, dem "sage ich, dass uns morgen die Kosten des Nichthandelns in dieser Krise viel, viel teurer zu stehen kommen". "Deshalb lasst uns diese alten Vorurteile beiseite legen", forderte die CDU-Politikerin.
Zur Seite sprang ihr der Fraktionsvorsitzende der Konservativen im EU-Parlament, Manfred Weber (CSU). "Ohne den Binnenmarkt können eure Unternehmen nicht erfolgreich sein", sagte er an die "sparsamen Vier" gerichtet. Der AfD-Europaabgeordnete Jörg Meuthen beklagte hingegen "kollektive Verantwortungslosigkeit", weil sich ganz Europa auf Kosten Deutschlands verschulde. Er hoffe, dass die Regierungen der "sparsamen Vier" standhaft blieben.
Italiens Regierungschef Giuseppe Conte begrüßte den Kommissionsvorschlag als "hervorragendes Signal aus Brüssel". Für Italien sind fast 173 Milliarden Euro an Krediten und Zuschüssen vorgesehen, für Spanien 140 Milliarden. Deutschland soll rund 28 Milliarden Euro ausschließlich als Zuschüsse erhalten, da finanzstarke Länder sich selbst zu günstigen Konditionen Darlehen an den Finanzmärkten besorgen können und keine EU-Darlehen brauchen.
Mit knapp 64 Milliarden soll Polen am drittstärksten von den Corona-Hilfen profitieren. Frankreich, dem ebenfalls ein enormer Abschwung prognostiziert wird, soll hingegen die verhältnismäßig kleine Summe von 39 Milliarden Euro erhalten.
Neben den Geldern für die Mitgliedstaaten will die Kommission auch das Zivilschutzprogramm RescEU stärken, ein neues EU-Programm für den Bereich Gesundheit auflegen und in gemeinsame Forschungsprojekte investieren.
Die Gemeinschaftsschulden sollen zwischen 2028 und 2058 zurückgezahlt werden. Dafür schweben Brüssel auch neue EU-Steuern wie eine Digitalsteuer oder eine CO2-Abgabe auf die Einfuhr von Gütern aus Drittstaaten mit niedrigeren Umweltstandards vor.
Außerdem schlug die Kommission einen überarbeiteten EU-Haushalt für die Jahre 2021 bis 2027 in Höhe von insgesamt rund 1100 Milliarden Euro vor.
(P.Tomczyk--DTZ)