Deutsche Tageszeitung - Rufe nach umfassender Polizeireform in den USA werden lauter

Rufe nach umfassender Polizeireform in den USA werden lauter


Rufe nach umfassender Polizeireform in den USA werden lauter
Rufe nach umfassender Polizeireform in den USA werden lauter / Foto: ©

Zwei Wochen nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd bei einem brutalen Polizeieinsatz werden die Rufe nach einer umfassenden Polizeireform in den USA lauter. Die oppositionellen Demokraten kündigten eine Gesetzesinitiative für eine stärkere landesweite Kontrolle der Polizeibehörden an. In Minneapolis, wo Floyd getötet worden war, beschloss der Stadtrat die Auflösung der örtlichen Polizeibehörde. Am Rande einer Anti-Rassismus-Kundgebung in Seattle wurde ein Demonstrant angeschossen.

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Es müsse eine stärkere Aufsicht über die Polizei geben, sagte die demokratische Abgeordnete Val Demings am Sonntag dem Sender ABC News. Auch müssten die Polizeiausbildung und die Polizeiregeln für Gewaltanwendung untersucht werden, betonte die afroamerikanische Politikerin, die früher Polizeichefin von Orlando in Florida war.

George Floyd war vor zwei Wochen gestorben, nachdem ein weißer Polizist fast neun Minuten lang auf seinem Nacken gekniet hatte. Am Dienstag soll er im texanischen Houston beerdigt werden. Der designierte demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden kündigte für Montag einen Besuch bei Floyds Familie in Houston an. Er will außerdem eine Videobotschaft aufnehmen, die bei der Trauerfeier am Dienstag gezeigt werden soll.

Die Gesetzesinitiative der Demokraten, die am Montag ins Repräsentantenhaus eingebracht werden sollte, zielt offenbar auch darauf ab, dass Polizisten für Einsätze mit tödlichen Folgen juristisch leichter verfolgt werden können. Außerdem soll eine nationale Datenbank eingerichtet werden, um Fehlverhalten von Polizisten zu dokumentieren.

Ob der Vorstoß im Kongress eine Chance hat, ist allerdings höchst ungewiss. Das Repräsentantenhaus wird von den Demokraten kontrolliert, der Senat hingegen von der Republikanischen Partei von Präsident Donald Trump.

Der kommissarische Heimatschutzminister Chad Wolf bestritt, dass es einen systemimmanenten Rassismus in der Polizei gebe. Justizminister Bill Barr sagte im Sender CBS, er sei gegen jede Gesetzesänderung, die den Schutz von Polizisten vor juristischer Verfolgung abschwäche.

In mehreren US-Städten gibt es allerdings bereits Initiativen für eine Polizeireform. In Minneapolis beschloss der Stadtrat, die Polizeibehörde komplett aufzulösen und durch eine neue Struktur für die Polizeiarbeit zu ersetzen. Wie dieses neue Modell aussehen soll, werde noch diskutiert, kündigte die Stadtratsvorsitzende Lisa Bender an.

Die Mehrheit im Stadtrat sei der Meinung, dass die örtliche Polizeibehörde "nicht reformierbar" sei, schrieb Stadtratsmitglied Alondra Cano im Kurzbotschaftendienst Twitter. Der Bürgermeister von Minneapolis, Jacob Frey, lehnt eine komplette Auflösung der Behörde allerdings ab.

Auch in New York kündigte Bürgermeister Bill de Blasio Reformen an: Das Budget der Polizeibehörde solle gekürzt und das Geld stattdessen teilweise in die Jugend- und Sozialarbeit gesteckt werden, sagte er laut örtlichen Medien.

Tiefgreifende Änderungen im Polizei- und Justizsystem sind auch zunehmend eine Forderung der Demonstranten, die seit dem Tod Floyds landesweit gegen Rassismus und Polizeigewalt auf die Straße gehen. Am Wochenende fanden Kundgebungen unter anderem in New York und Washington statt, aber auch in vielen europäischen Städten versammelten sich zehntausende Menschen.

Ein gewaltsamer Zwischenfall wurde indes aus Seattle gemeldet. Ein Mann steuerte sein Auto in Richtung der Demonstranten und schoss einem Teilnehmer der Kundgebung in den Arm. Der Tatverdächtige wurde nach Polizeiangaben festgenommen.

Auch die Diskussion um Trumps Reaktion auf die Anti-Rassismus-Proteste reißt nicht ab. Der Präsident hatte mit einem Militäreinsatz gegen Ausschreitungen gedroht und damit heftige Kritik auf sich gezogen, darunter die seines früheren Verteidigungsministers Jim Mattis.

Auch Ex-Außenminister Colin Powell schloss sich nun den Kritikern an. "Wir müssen die Verfassung respektieren. Und der Präsident hat sich davon abgewandt", kritisierte der Republikaner. Powell kündigte an, bei der Wahl im November für Trumps Herausforderer Biden zu stimmen. Powells Nachfolgerin Condoleezza Rice erklärte, sie lehne einen Einsatz des Militärs gegen friedliche Demonstranten entschieden ab.

(U.Beriyev--DTZ)

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