Nach Corona-Ausbruch bei Tönnies vermehrt Rufe nach schnellem Werkvertragsverbot
Nach dem erneuten Corona-Massenausbruch in einem deutschen Fleischbetrieb hat Nordrhein-Westfalens Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) eine schnellere Abschaffung der Werkverträge in der Branche gefordert. "In den ersten Sitzungswochen nach der Sommerpause brauchen wir diese gesetzliche Grundlage", sagte Laumann am Donnerstag im Deutschlandfunk. Auch die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) verlangte ein umgehendes Werkvertragsverbot. Die Fleischwarenindustrie äußerte sich hingegen skeptisch zu dessen Folgen.
Der Corona-Ausbruch beim Tönnies-Fleischkonzern in Rheda-Wiedenbrück war am Mittwoch bekannt geworden. In dem Betrieb im nordrhein-westfälischen Kreis Gütersloh wurden 657 Mitarbeiter positiv auf das Virus getestet. Alle 6800 Mitarbeiter sollen nun unter Quarantäne gestellt und getestet werden. Bereits in den vergangenen Monaten hatte es eine Reihe von Coronavirus-Ausbrüchen unter Mitarbeitern deutscher Fleischbetriebe gegeben.
Das Bundeskabinett hatte deshalb vor vier Wochen neue Auflagen für die Branche auf den Weg gebracht. Vorgesehen ist unter anderem ein Verbot von Werkverträgen, das jedoch erst ab dem 1. Januar 2021 gelten soll. Danach sollen nur Angestellte des eigenen Betriebs Tiere schlachten und zerlegen dürfen.
Die Werkverträge in der Branche gerieten in Verruf, weil dabei Beschäftigte von Subunternehmen häufig zu Niedriglöhnen und mit überlangen Arbeitszeiten eingesetzt werden. Auch die Unterbringung solcher Mitarbeiter in engen Sammelunterkünften steht in der Kritik.
Laumann sagte zu dem geplanten Werkvertragsverbot, er hätte sich gewünscht, dass der Bundestag das Gesetz noch vor der Sommerpause verabschiedet. "Dieser Umschwung von Werkverträgen zu Stammbelegschaften braucht ja auch ein bisschen Zeit", mahnte der CDU-Politiker.
Der NGG-Vizechef Freddy Adjan forderte in den Zeitungen der Funke-Mediengruppe, "diesem kranken System" müsse nun endlich ein Ende gemacht werden. Das beschlossene Verbot von Werkverträgen in der Fleischindustrie müsse "ohne Abstriche im Gesetzgebungsverfahren umgesetzt" werden. Die Coronavirus-Ausbrüche hingen ganz offensichtlich mit den "katastrophalen Arbeits- und Lebensbedingungen für die meist osteuropäischen Werkvertrags-Beschäftigten" zusammen.
Die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele, plädierte ebenfalls für ein schnelleres Ende von Leiharbeit und Werkverträgen in der Fleischindustrie. "Der Staat hat viel zu lange weg geschaut - die Leute werden weder fair bezahlt und noch erhalten sie eine faire soziale Absicherung", kritisierte Bentele. "Wir dulden seit Jahren Lohn- und Sozialdumping mitten unter uns - das muss sofort ein Ende haben."
Die Umweltschutzorganisation Greenpeace warf der Fleischbranche vor, den Schutz vor dem Coronavirus zu vernachlässigen. Während Schulen und Kitas erst jetzt langsam wieder öffnen dürften, werde in Schlachthöfen gearbeitet, "als wäre nichts gewesen", sagte die Greenpeace-Agrarexpertin Stephanie Töwe den Funke-Zeitungen.
Die Präsidentin des Bundesverbands der Fleischwarenindustrie, Sarah Dhem, zeigte sich skeptisch, dass das von der Bundesregierung angestrebte Verbot von Werkverträgen ohne Weiteres umgesetzt werden kann. Bei einem Verbot solcher Verträge stünden einige Unternehmen der Fleischbranche "vermutlich kurzfristig vor erheblichen Personalproblemen", sagte sie der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Ihre Branche könne keine hohen Stundenlöhne wie beispielsweise Automobilhersteller zahlen.
(P.Tomczyk--DTZ)