Deutsche Tageszeitung - Das SID-Kalenderblatt am 19. April 2020: Der erste Boston-Marathon

Das SID-Kalenderblatt am 19. April 2020: Der erste Boston-Marathon


Das SID-Kalenderblatt am 19. April 2020: Der erste Boston-Marathon
Das SID-Kalenderblatt am 19. April 2020: Der erste Boston-Marathon / Foto: ©

Verfluchte Truthähne! Da hätte der Boston-Marathon nicht nur das vielleicht berühmteste jährliche Lauf-Spektakel der Sportwelt werden können, sondern auch das älteste. Doch nicht einmal fünf Monate bevor am 19. April 1897 erstmals ein kleines Häuflein wackerer Athleten durch die Straßen der Metropole in Massachusetts eilte, war 500 Meilen weiter östlich der Buffalo Turkey Trot aus der Taufe gehoben worden.

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Das Spaßrennen im Zeichen der Pute zu Thanksgiving erfreut sich noch heute großer Beliebtheit - die ruhmreichere und bewegtere Historie entwickelte indes der jüngere Bruder aus Boston. Schon die Premierenauflage schrieb eine tragische Geschichte. Oder besser: John McDermott schrieb sie.

McDermott, ein 22-Jähriger Hasardeur aus Manhattan, hatte bereits an der Startlinie gestanden, als im September 1896 in New York City der erste Marathon in den Vereinigten Staaten ausgetragen wurde. Die Welt-Premiere des Marathons bei den ersten Olympischen Spielen der Moderne in Athen wenige Monate zuvor hatte auch jenseits der großen Teichs Abenteurer auf den Plan gerufen. McDermott gewann in seiner Heimatstadt, die Distanz soll rund 38 Kilometer betragen haben - 42,195 km wurde erst später als Marathon-Distanz definiert.

War das Rennen im Schlamm des Big Apple schon eine Schinderei, sollte alles in Boston noch schlimmer werden. Außer McDermott wagten sich nur 17 weitere Läufer an den Start, 15 erreichten das Ziel. McDermott übernahm nach 19 Kilometern die Führung und baute diese aus - obwohl er immer wieder Gehpausen einlegen musste, dann in eine Begräbnis-Prozession geriet und schließlich zwei feststeckende elektrische Vehikel die Straße blockierten.

Mit blutenden Füßen voller Blasen erreichte McDermott das Ziel, seiner Siegerzeit von 2:55:10 Stunden war fast vier Minuten schneller als die von Spiridon Louis zuvor in Athen. Während Louis’ Ruhm aber nie verblasste, blieb von McDermott nicht viel an Vermächtnis. Seine Boston-Marke wurde nie als Weltrekord anerkannt, und gleichwohl er schwor, nie wieder einen Marathon laufen zu wollen, trat er ein Jahr später noch einmal in Boston an und wurde als hoher Favorit Vierter.

Danach geriet McDermott in Vergessenheit, sein genaues Todesdatum ist unbekannt - er soll irgendwann vor 1906 mit kaum mehr als 30 Jahren an Tuberkulose gestorben sein. Die Krankheit, so geht die Legende, trug er schon beim blutigen Triumph von Boston in sich.

(U.Kabuchyn--DTZ)