
Brüssel macht gegen unterschiedliche Qualitätsstandards bei Lebensmitteln mobil

Weniger cremige Nutella oder Fischstäbchen mit weniger Fisch: Seit Jahren protestieren osteuropäische Regierungen gegen die angeblich schlechtere Qualität von Markenprodukten der Lebensmittelindustrie in ihren Ländern. Die EU-Kommission legte dazu nun Dienstag "Leitlinien" vor, um das Problem anzugehen. Sie listen rechtliche Vorgaben auf, über die nationale Behörden unzulässige Praktiken der Lebensmittelmultis erkennen können. Brüssel stellt für Untersuchungen zudem eine Million Euro bereit.
"Zwei unterschiedliche Produkte in derselben Markenverpackung zu präsentieren, führt Verbraucher in die Irre und ist unfair", erklärte Justiz- und Verbraucherkommissarin Vera Jourova. Mittlerweile gebe es Belege dafür, dass dies "dutzende, vielleicht sogar hunderte Produkte" betreffe.
Aus eigener Erfahrung in ihrer Heimat Tschechien wisse sie, dass es dort "alarmierend weniger Fisch in Fischstäbchen" gebe, sagte Jourova. "Ich bin entschlossen, dieser Praxis ein Ende zu setzen." Sie sei durch EU-Recht verboten.
Brüssel verweist dabei auf die Bestimmungen zur Lebensmittelkennzeichnung und die Richtlinie gegen unlautere Geschäftspraktiken. In ihren Leitlinien legt die Kommission dar, wie nationale Lebensmittelbehörden schrittweise unzulässiges Verhalten erkennen können. Über die Zusammenarbeit im EU-Verbraucherschutz kann dann festgestellt werden, ob Produkte in anderen Ländern tatsächlich "besser" sind.
Eine Art europäische Fischstäbchen-Task-Force wird es aber nicht geben. Für die Ahndung von Verstößen bleiben alleine die nationalen Behörden zuständig. Auf EU-Ebene sollen aber Jourova zufolge bis Anfang kommenden Jahres einheitliche Standards für die Tests von Lebensmitteln entwickelt werden. Auch dafür stellt Brüssel eine Million Euro bereit.
Sie werde auch nicht zögern, Hersteller "an den Pranger zu stellen, wenn ich Beweise dafür sehe, dass bei einigen Produkten gemogelt wird", sagte Jourova. Zum "Boykott" von Waren werde sie zwar nicht aufrufen. Sie werde aber Verbrauchern helfen, "fundierte Entscheidungen zu treffen".
Die Tschechin begrüßte, dass einige Firmen schon reagiert hätten. So habe Bahlsen angekündigt, in seinen Butterkeksen fortan nur noch Butter und nicht Palmöl zu verwenden. Und der Babynahrungsproduzent Hipp habe europaweit gleiche Mengen von Gemüse in seinen Produkten versprochen.
Jourova schloss nicht aus, dass die Änderung der Zusammensetzung zu Preiserhöhung in den betroffenen Ländern führen könnte. Bisher gebe es aber keine Anzeichen dafür, sagte sie. Falls doch, empfahl sie Herstellern, als "zweitbeste Lösung" die Produkte unter anderen Namen anzubieten. Damit könnten die Verbraucher erkennen, dass sie ein anderes Produkt kauften.
Die ungarische Lebensmittelbehörde hatte im Februar eine Untersuchung von 24 Produkten großer Hersteller veröffentlicht und stieß dabei nach eigenen Angaben auf zahlreiche Mängel. Demnach war in Ungarn verkaufte Nutella von Ferrero "weniger cremig" als in Österreich, die Coca-Cola "weniger vollmundig und flacher" im Geschmack. Und in den Tütensuppen von Knorr stecke rund 20 Prozent weniger Pulver - trotz derselben Verpackung.
Slowakische Lebensmittelprüfer kamen zu ähnlichen Ergebnissen. Produkte, die in der Slowakei verkauft wurden, hätten oft einen höheren Fett- und einen niedrigeren Fleischgehalt als in westeuropäischen Ländern, beklagten sie. Statt Zucker würden Süßungsmittel eingesetzt, statt Fruchtzusätzen künstliche Aromastoffe.
(W.Uljanov--DTZ)