Deutsche Tageszeitung - Neues Infektionsschutzgesetz stößt auf skeptische Reaktionen

Neues Infektionsschutzgesetz stößt auf skeptische Reaktionen


Neues Infektionsschutzgesetz stößt auf skeptische Reaktionen
Neues Infektionsschutzgesetz stößt auf skeptische Reaktionen / Foto: © AFP/Archiv

Das von der Ampel-Koalition vereinbarte neue Infektionsschutzgesetz ist auf skeptische Reaktionen gestoßen. Die Bundesärztekammer und die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) bemängelten am Donnerstag fehlende Grenzwerte zur Beurteilung der Überlastung im Gesundheitswesen. Kritik an Ausnahmen für geimpfte und genesene Beschäftigte und Besucher von Pflegeheimen von der dort geltenden Testpflicht äußerte die Deutsche Stiftung Patientenschutz.

Textgröße ändern:

Nach den Plänen der Ampel-Koalition sollen die Bundesländer ab 1. Oktober wieder generelle Maskenpflichten in öffentlich zugänglichen Innenräumen wie Geschäften anordnen können. Zudem sind dann erweiterte Corona-Schutzmaßnahmen möglich, wenn ein Land befürchtet, dass das Gesundheitssystem überlastet wird. Konkrete einheitliche Schwellenwerte gibt es dafür jedoch nicht.

"Ich begrüße, dass das Infektionsschutzgesetz ab Herbst den Ländern weiterhin Möglichkeiten bietet, um aktiv gegen Corona-Wellen vorzugehen", sagte dazu der DKG-Vorstandsvorsitzende Gerald Gaß dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). "Unklar bleibt aber noch immer, anhand welcher Indikatoren tatsächlich Gefährdung festgestellt werden muss."

Kritik daran übte in der "Welt" auch der Virologe Hendrik Streeck. Er warnte angesichts der unklaren Entscheidungslage vor einem "Flickenteppich an Maßnahmen" und einem "Überbietungswettbewerb" zwischen den Ländern.

Auch der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, sagte der Funke Mediengruppe, an diesem Punkt bleibe das Corona-Schutzkonzept "leider noch im Vagen". Es sei jedoch wichtig, "dass in Zukunft im ganzen Bundesgebiet einheitliche Maßnahmen ergriffen werden, wenn bestimmte, klar definierte Kriterien erfüllt sind". Der Ärztepräsident lobte aber die Absage an pandemiebedingte Schulschließungen.

Der Deutsche Lehrerverband begrüßte, dass die Länder nach den Plänen der Ampelkoalition künftig in Schulen ab der fünften Klasse wieder eine Maskenpflicht verhängen können, um den Präsenzbetrieb bei einer heftigen Infektionswelle aufrecht erhalten zu können. "Warum im gleichen Fall, also zur Aufrechterhaltung des Schulbetriebs, eine Maskenpflicht an Grundschulen nicht angeordnet werden kann, ist allerdings absolut nicht nachvollziehbar", sagte der Präsident des Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, den RND-Zeitungen.

Der Vorsitzende des Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt, warnte in der "Rheinischen Post" vor "zu kleinteiligen Maßnahmen". "Wenn bei der Maskenpflicht beispielsweise danach differenziert werden soll, ob die letzte Impfung drei oder vier Monate zurückliegt, dann frage ich mich, wie das im Alltag funktionieren soll."

"Wir brauchen ein Gesetz, das die Menschen verstehen und die Behörden umsetzen können", verlangte auch der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Helmut Dedy. Er forderte in den Funke-Zeitungen vom Bund auch Klarheit darüber, ob es im Herbst wieder kostenlose Bürgertests für alle geben werde und wie es mit der einrichtungsbezogenen Impfpflicht weitergehe.

"Das neue Infektionsschutzgesetz macht die alten Fehler", warf der Vorstand der Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, der Regierung vor. Diese solle endlich die Realität zur Kenntnis nehmen, "dass auch Geimpfte und Genesene andere anstecken können".

Insgesamt positiv äußerte sich die Arbeiterwohlfahrt. "Die Bundesregierung zeigt sich bei der Pandemiebekämpfung endlich wieder handlungswillig und schafft die gesetzliche Grundlage für Maßnahmen zum Gesundheitsschutz der Bevölkerung – das ist sehr gut", erklärte Awo-Präsidentin Kathrin Sonnenholzner. Auch sie kritisierte jedoch die vorgesehenen Ausnahmen von der Testpflicht und drängte auf die Wiedereinführung kostenloser Bürgertests.

Generell gegen neue Einschränkungen zum Schutz vor der Pandemie wandte sich AfD-Fraktionschefin Alice Weidel.

(V.Sørensen--DTZ)

Empfohlen

Studie: Keine langfristigen Nachteile für Betriebe durch längere Elternzeit

Längere Abwesenheiten von Müttern nach der Einführung des Elterngeldes 2007 haben sich einer Studie zufolge nicht langfristig negativ auf die Unternehmen in Deutschland ausgewirkt. Kurzfristige Beschäftigungslücken blieben auf lange Sicht ohne negative Konsequenzen wie dauerhaft niedrigere Beschäftigung oder häufigere Betriebsschließungen, erklärte das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg am Donnerstag. Auch für die Frauen selbst habe die Elternzeit keine negativen Auswirkungen auf die Karriere.

Berliner Verfassungsgericht: Bafög 2021 war verfassungswidrig niedrig

Das Bafög für Studierende im Jahr 2021 ist aus Sicht des Berliner Verwaltungsgerichts verfassungswidrig niedrig gewesen. 427 Euro seien zur Deckung des Grundbedarfs zu wenig gewesen, weil die Summe unter dem Bürgergeldminimum von 446 gelegen habe, hieß es am Dienstag von dem Gericht. Auch seien 325 Euro nicht ausreichend für den Unterkunftsbedarf gewesen, weil die Mehrheit der Studierenden mehr Miete habe bezahlen müssen.

Ausgaben pro Kind in Kitas in freier Trägerschaft stark gestiegen

Kindertagesstätten in freier Trägerschaft haben 2022 deutlich mehr Geld für die Betreuung pro Kind ausgegeben als 2010. Nicht preisbereinigt stiegen die Ausgaben um 59 Prozent, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag in Wiesbaden mitteilte. Pro Kind wurden im Schnitt rund 12.300 Euro ausgegeben. Für Kinder unter drei Jahren wurde mit 18.600 Euro am meisten ausgegeben.

Stark-Watzinger weist Vorwürfe zu Fördergeld-Affäre im Bundestag zurück

In der Fördergeld-Affäre bleibt Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) bei ihrer Darstellung. In Ausschuss- und Regierungsbefragungen am Mittwoch im Bundestag bekräftigte die Ministerin, keine förderrechtliche Prüfung gegen Hochschullehrerinnen- und -lehrer veranlasst zu haben, die sich in einem offenen Brief hinter pro-palästinensische Proteste an Universitäten gestellt hatten.

Textgröße ändern: