Deutsche Tageszeitung - Lage nach Unwettern in NRW und Rheinland-Pfalz weiterhin unübersichtlich

Lage nach Unwettern in NRW und Rheinland-Pfalz weiterhin unübersichtlich


Lage nach Unwettern in NRW und Rheinland-Pfalz weiterhin unübersichtlich
Lage nach Unwettern in NRW und Rheinland-Pfalz weiterhin unübersichtlich / Foto: ©

Infolge der Unwetterkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen mit mehr als hundert Toten gibt es weiterhin keine Entwarnung. Die Lage blieb auch am Freitagabend vielerorts unübersichtlich, wie die Behörden der beiden Bundesländer mitteilten. Die Zahl der bestätigten Todesopfer erhöhte sich demnach zunächst nicht weiter. Wegen zahlreicher vermisster Menschen drohte aber noch ein weiterer Anstieg. Auch im benachbarten Belgien starben mindestens 20 Menschen.

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Insgesamt meldeten Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen bis Freitagabend 106 Tote. Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) bezifferte die Zahl der Toten in Rheinland-Pfalz am Nachmittag auf mindestens 60. Darunter waren auch zwölf Bewohner eines Behindertenwohnheims in Sinzig, die nicht mehr gerettet werden konnten und hilflos ertranken. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) sprach von mindestens 43 Toten in seinem Bundesland.

Mit Gesamtangaben zu Vermissten hielten sich die Behörden weitgehend zurück. Im besonders betroffenen rheinland-pfälzischen Landkreis Ahrweiler war seit Donnerstagabend die Zahl der vermissten Menschen unklar. Da das Mobilfunknetz und die Telefonleitungen ausgefallen waren, gab es keine Möglichkeit der telefonischen Kontaktnachverfolgung.

Dramatische Szenen spielten sich im südlich von Köln gelegenen Erftstadt ab. Die über die Ufer getretene Erft unterspülte zahlreiche Häuser und brachte diese ganz oder teilweise zum Einsturz. Es kam zu Erosion, wodurch größere Bodenbereiche wegbrachen. Die Behörden gingen von mehreren Toten aus, konnten dies aber auch im Lauf des Freitags nicht weiter beziffern.

Die Infrastruktur in den betroffenen Gebieten fiel zeitweise vollständig aus. Dazu kommen eine Reihe zerstörter oder nicht benutzbarer Straßen und Bahnstrecken. Im Kreis Ahrweiler riss eine Erdgasleitung, es droht ein wochenlanger Ausfall der Gasversorgung.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier kündigte für Samstag einen Besuch gemeinsam mit Ministerpräsident Laschet in Erftstadt an. Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock machte sich nach eigenen Angaben am Freitag in Rheinland-Pfalz ein Bild der Zerstörung. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) plant nach Angaben aus dem Kanzleramt einen "baldigen Besuch im Katastrophengebiet". Merkel war am Donnerstag noch in Washington bei US-Präsident Joe Biden zu Gast.

Dreyer sagte nach einer Sondersitzung ihres Kabinetts, die Einschätzung ihrer Landesregierung sei inzwischen, dass die Schäden "so dramatisch" seien, "dass wir noch lange Zeit mit dem Thema zu tun haben". Dabei bezeichnete sie die Lage auch als "Horror". "Da könnte man eigentlich nur noch weinen."

Laschet sagte, die Überschwemmungen in Westdeutschland seien eine "Flutkatastrophe von historischem Ausmaß". Die Zahl der Toten übertrifft mittlerweile um ein Mehrfaches die der sogenannten Jahrhundertflut aus dem Jahr 2002, bei der in Sachsen 21 Menschen starben.

Insgesamt waren in Nordrhein-Westfalen nach Regierungsangaben 25 Städte und Landkreise von Überschwemmungen betroffen. Es werde "große finanzielle Anstrengungen brauchen", sagte der Ministerpräsident. "Um die Folgen der Flut zu bewältigen, wird Deutschland solidarisch zusammenstehen müssen."

Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte, "das Ausmaß der Verwüstung" sei "nicht zu ermitteln". Es gebe auch noch immer viele Vermisste, die Lage sei sehr unübersichtlich. "Viele Menschen haben alles verloren, restlos alles verloren, was sie haben."

Der Rettungseinsatz in den besonders betroffenen Gebieten lief unter Hochdruck und auch mit Unterstützung von Rettern aus anderen Bundesländern sowie der Bundeswehr. Nach Angaben des Bundesverteidigungsministeriums sind rund 850 Soldaten und Soldatinnen im Einsatz. Die Bundeswehr half den Einsatzkräften vor Ort demnach unter anderem bei Evakuierungen sowie Räumungen mit Schlauchbooten und Krankenwagen.

In Belgien rief Regierungschef Alexander De Croo für Dienstag einen nationalen Trauertag aus. Neben 20 bestätigten Todesopfern werden 20 weitere Menschen dort noch vermisst. "Dies könnten die katastrophalsten Überschwemmungen sein, die unser Land je gesehen hat", sagte De Croo.

(Y.Ignatiev--DTZ)

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