Deutsche Tageszeitung - Söder stößt mit Forderung nach Impfpflicht für Pflegekräfte auf Widerstand

Söder stößt mit Forderung nach Impfpflicht für Pflegekräfte auf Widerstand


Söder stößt mit Forderung nach Impfpflicht für Pflegekräfte auf Widerstand
Söder stößt mit Forderung nach Impfpflicht für Pflegekräfte auf Widerstand / Foto: ©

Mit der Forderung nach einer Impfpflicht für Pflegekräfte ist Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) auf breiten Widerstand gestoßen. Söder begründete seinen Vorstoß am Dienstag damit, dass sich in Alten- und Pflegeheimen "zu wenige" Mitarbeiter impfen ließen, obwohl die Bewohner dort besonders durch das Coronavirus gefährdet seien. Die Koalitionsparteien CDU und SPD, aber auch die Oppositionsparteien lehnten eine Pflicht zur Impfung aber ab.

Textgröße ändern:

Söder sagte, es gehe ihm um den "Schutz der Älteren". Er verwies darauf, dass es bereits eine Impfpflicht für Masern zum Schutz von Kindern gebe: "Die Auswirkungen von Corona sind mindestens genauso schlimm wie die von Masern." Eine allgemeine Impfpflicht lehne er zwar ab; zugleich schlug er vor, den Deutschen Ethikrat mit der Erörterung einer Impfpflicht für das Personal in Krankenhäusern und Pflegeheimen zu befassen.

Mit seinem Vorstoß entfachte Söder eine lebhafte Debatte, in der Kritik und Widerspruch überwogen. Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) sprach sich dafür aus, Vorbehalte gegen die Impfung durch bessere Aufklärung abzubauen. Brinkhaus forderte einen besonderen Schutz alter Menschen in den Heimen: "Es macht mich unheimlich traurig, wie das Sterben eingesetzt hat bei den Hochbetagten", sagte er.

Ähnlich skeptisch zur Impfpflicht äußerte sich SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich: "Wir wollen überzeugen." Laut Mützenich sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn den Fraktionsvorsitzenden zu, der Frage nachzugehen, warum bei den Impfungen "in Altenpflegeheimen die Zurückhaltung zuletzt groß war".

Linkenfraktionschef Dietmar Bartsch warnte, eine Debatte um Pflichtimpfungen für Pflegekräfte werde "das Gegenteil bewirken" und die Vorbehalte wachsen lassen. FDP-Chef Christian Lindner sagte: "Eine Impfpflicht auch für beruflich in der Pflege tätige Menschen halten wir aus verfassungsrechtlichen Erwägungen für hoch problematisch."

Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt forderte: "Was es braucht, ist eine sehr klare eindeutige Aufklärungskampagne, dass alle Pflegekräfte wissen, wie die Impfungen wirken." Auch AfD-Parlamentsgeschäftsführer Bernd Baumann sagte: "Hier müssen Argumente her, um die Leute zu überzeugen, und die Argumente gibt es ja."

Auch der Humangenetiker Wolfgang Henn, der dem von Söder angesprochenen Ethikrat angehört, äußerte sich skeptisch. "Ich bin zuversichtlich, dass wir das auf der freiwilligen Ebene hinkriegen werden", sagte er dem RBB. Der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus, riet im SWR zu "Aufklärung" und "freiwilliger Entscheidung" über das Impfen.

Kritik an Söder kam auch von Landesseite: "Jetzt haben wir wirklich unentwegt gesagt, es gibt keine Impfpflicht, und das ändern wir jetzt nicht mittendrin", sagte der baden-württembergische Ministerpräsident Winfred Kretschmann (Grüne) in Stuttgart.

Zustimmung bekam Söder von Weltärztepräsident Frank-Ulrich Montgomery. "Wer Umgang mit vulnerablen Gruppen hat, muss immunisiert sein", sagte er den Funke-Zeitungen mit Blick auf Pflegekräfte. "Für Pflegekräfte und medizinisches Personal ist eine berufsspezifische Impfpflicht gegen Corona sinnvoll."

Die Senioren-Union von CDU und CSU sprang Söder ebenfalls zur Seite: "Falls eine gesetzliche Impfpflicht nicht möglich sein sollte, gilt eine moralische Impfpflicht", sagte ihr Vorsitzender Otto Wulff.

Bisher wird in Deutschland bei den Corona-Impfungen auf reine Freiwilligkeit gesetzt. Allerdings ergab eine vergangenen Woche veröffentlichte Umfrage, dass nur die Hälfte des Pflegepersonals zu einer solchen Impfung bereit ist. Söder plädierte daher auch für eine "große staatliche Kampagne zur Förderung der Impfbereitschaft".

Bayern führt ab Montag eine Pflicht zum Tragen von FFP2-Masken in Bussen und Bahnen sowie in Geschäften ein. Die Masken schützten nicht nur andere Menschen, sondern auch ihre Träger, sagte Söder.

(V.Korablyov--DTZ)

Empfohlen

Ungarn fordern Rücktritt Orbans nach Bekanntwerden von Missbrauchsfällen

Nach dem Bekanntwerden von Missbrauchsfällen in staatlichen Kinder- und Jugendeinrichtungen haben in Ungarns Hauptstadt Budapest am Samstag mehr als 50.000 Menschen den Rücktritt von Ministerpräsident Viktor Orban gefordert. Sie riefen Parolen wie "Orban, hau ab!". Zu der Demonstration hatte Oppositionsführer Peter Magyar aufgerufen, dessen Partei Tisza vor der Parlamentswahl im Frühling die Meinungsfragen anführt. Er führte den Protestzug an und trug ein Banner mit den Worten "Lasst uns Kinder schützen".

US-Soldaten in Syrien in mutmaßlichem Hinterhalt des IS getötet

In Syrien sind am Samstag zwei US-Soldaten und ein US-Übersetzer bei einem Angriff eines mutmaßlichen Mitglieds der Dschihadistenmiliz IS auf eine gemeinsame Patrouille von syrischen und US-Soldaten getötet worden. Drei weitere US-Soldaten seien verletzt worden, teilte das Nahost-Regionalkommando der US-Armee, Centcom, mit. "Wir trauern um den Verlust von drei großen amerikanischen Patrioten in Syrien", erklärte US-Präsident Donald Trump auf seiner Online-Plattform Truth Social und drohte mit "sehr ernster Vergeltung".

Belarus lässt nach US-Vermittlung Oppositionelle Bjaljazki und Kolesnikowa frei

Im autoritär regierten Belarus sind nach der Vermittlung der USA überraschend mehr als 120 politische Gefangene freigelassen worden, darunter die prominente Oppositionspolitikerin Maria Kolesnikowa, der Friedensnobelpreisträger Ales Bjaljazki und der Lukaschenko-Gegner Viktor Babariko. Machthaber Alexander Lukaschenko habe insgesamt 123 Häftlinge aus verschiedenen Ländern begnadigt, hieß es in einem der belarussischen Präsidentschaft angegliederten Telegram-Kanal. Trotz der jahrelangen Haft zeigten sich Kolesnikowa und Bjaljazki bereits wenige Stunden nach ihrer Freilassung kämpferisch.

Belarussische Oppositionelle Bjaljazki und Kolesnikowa sowie weitere Gefangene frei

Die prominente belarussische Oppositionspolitikerin Maria Kolesnikowa und der Friedensnobelpreisträger Ales Bjaljazki sind zusammen mit mehr als 120 weiteren Gefangenen in dem autokratisch regierten Land freigelassen worden. Staatschef Alexander Lukaschenko habe insgesamt 123 Häftlinge aus verschiedenen Ländern begnadigt, hieß es am Samstag in einem der belarussischen Präsidentschaft angegliederten Telegram-Kanal. Dazu zählen laut der Menschenrechtsorganisation Wjasna auch Kolesnikowa, Bjaljazki und der Oppositionelle Viktor Babariko. Den Freilassungen war eine Lockerung von US-Wirtschaftssanktionen gegen Belarus vorausgegangen.

Textgröße ändern: