Deutsche Tageszeitung - Steinmeier spricht bei Gedenken für Verstorbene von einer "dunklen Zeit"

Steinmeier spricht bei Gedenken für Verstorbene von einer "dunklen Zeit"


Steinmeier spricht bei Gedenken für Verstorbene von einer "dunklen Zeit"
Steinmeier spricht bei Gedenken für Verstorbene von einer "dunklen Zeit" / Foto: ©

Mit einer zentralen Gedenkveranstaltung haben die Spitzen des deutschen Staates am Sonntag der Verstorbenen der Corona-Pandemie gedacht. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, auf den die Initiative für das Gedenken zurückgeht, sprach in seiner Rede von einer "dunklen Zeit". "Wir sind ermüdet von der Last der Pandemie, und wundgerieben im Streit um den richtigen Weg." Hinterbliebene von Verstorbenen waren Teil des Gedenkens, dem ein zentraler ökumenischer Gottesdienst in der Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche vorausging.

Textgröße ändern:

In Deutschland erkrankten seit Beginn der Pandemie mehr als 3,1 Millionen Menschen an Covid-19, rund 80.000 Menschen starben bisher an oder mit der Krankheit.

Wie der Bundespräsident sagte, sieht er noch nicht die Zeit gekommen, um Versäumnisse der Politik während der Pandemie aufzuarbeiten. "Sprechen wir über Schmerz und Leid und Wut. Aber verlieren wir uns nicht in Schuldzuweisungen, im Blick zurück, sondern sammeln wir noch einmal die Kraft für den Weg nach vorn, den Weg heraus aus der Pandemie, den wir gehen wollen und gehen werden, wenn wir ihn gemeinsam gehen", sagte Steinmeier. Es dürfe nicht zugelassen werden, dass die Pandemie, die schon die Menschen zum Abstand zwinge, "uns auch noch als Gesellschaft auseinandertreibt".

Sein Eindruck sei, dass sich die Gesellschaft nicht oft genug bewusst mache, dass hinter allen Zahlen Schicksale, Menschen stehen, sagte Steinmeier. "Ihr Leiden und ihr Sterben sind in der Öffentlichkeit oft unsichtbar geblieben. Eine Gesellschaft, die dieses Leid verdrängt, wird als ganze Schaden nehmen."

Anwesend waren mit Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble, Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundesratspräsident Reiner Haseloff (alle CDU) und dem Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Stephan Harbarth, auch die Spitzen der weiteren deutschen Verfassungsorgane. Sie stellten als Zeichen der Anteilnahme zusammen mit Menschen Kerzen auf, die in der Pandemie Angehörige verloren haben.

Dem staatlichen Gedenken ging ein zentraler ökumenischer Gottesdienst in der Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche voraus, zu dem die großen Kirchen eingeladen hatten. In Zeiten der Trauer sei es umso wichtiger, nicht alleine zu sein, sagte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, in seiner Predigt.

Dabei nannte Bedford-Strohm die Krisenerfahrung der Pandemiezeit ein "Trauma unserer Seele". "Wir werden viel Zeit brauchen, erst recht unsere Kinder, unsere Heranwachsenden, für die diese Krise die Ausdehnung einer gefühlten Ewigkeit hat."

Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, sagte, Tod und Sterben seien in der Pandemie näher gerückt als zuvor. Von jetzt auf gleich müssten Patienten ins Krankenhaus, Abschiede seien holprig und überstürzt. "Dann oft kein Besuch, kein Sich-Aussprechen, kein Trösten in der Angst, kein vergewissernder Blick in die Augen, keine vertraute Hand." Verpasste Chancen seien einmalig, da gebe es kein zweites Mal. "Was hier alles fehlt, was einem an Nähe und Zuneigung geraubt wird durch die Pandemie, das verwundet die Seele."

Auch der Vorsitzende des Islamkollegs Deutschland, Esnaf Begic, und die jüdische Kantorin Avital Gerstetter wirkten an dem Gottesdienst mit.

In dem Gottesdienst kamen auch von der Pandemie direkt betroffene Menschen zu Wort. Ein Mann berichtete, mit einer Covid-19-Erkrankung mehrere Wochen ohne eine Besuchsmöglichkeit für seine Frau und Tochter im Koma gelegen und dabei noch einen Herzinfarkt erlitten zu haben. "Mehrmals stand es spitz auf Knopf, aber ich habe überlebt."

Ein Krankenpfleger berichtete, seit mehr als einem Jahr an Covid erkrankte Menschen zu betreuen. Während die Nachrichten die Zahlen transportierten, sehe er die Menschen hinter den Zahlen. "Ich liebe meinen Beruf, aber ich spreche wohl für viele, wenn ich sage, noch nie hat eine Herausforderung so viel Kraft verlangt."

(M.Dylatov--DTZ)

Empfohlen

CSU will Reichinnek als Geheimdienst-Kontrolleurin verhindern

Die CSU will verhindern, dass die Linken-Fraktionschefin Heidi Reichinnek in das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) des Bundestags einzieht, das die Nachrichtendienste des Bundes überwacht. Das Gremium gehöre zum "Kernbereich der Sicherheitsarchitektur unseres Landes", sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann dem "Spiegel" laut Vorabmeldung vom Freitag. "Dieses hochsensible Gremium braucht passendes Personal statt parteipolitischer Provokation. Die Nominierung von Frau Reichinnek ist das genaue Gegenteil."

Warken: Bund muss Kassen bei Kosten für Bürgergeldempfänger entlasten

Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) hat angesichts der prekären Finanzlage der gesetzlichen Krankenkassen eine vollständige Übernahme der Behandlungskosten von Bürgergeldempfängern durch den Bundeshaushalt gefordert. Die Behandlungen der Bürgergeldempfänger seien seit Jahren vom Staat unterfinanziert, es fehlten dafür "mehr als zehn Milliarden Euro jedes Jahr", sagte Warken der "Rheinischen Post" vom Freitag. "Das können die Krankenkassen nicht auf Dauer ausgleichen. So kommen die auf keinen grünen Zweig."

Wadephul fordert führende Rolle Deutschlands in der Nato

Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU) hat wenige Tage vor dem Nato-Gipfel in Den Haag eine führende Rolle Deutschlands in der Verteidigungspolitik des Bündnisses angemahnt. "Deutschland muss ein Vorbild sein, wir müssen bereit sein zu führen", sagte Wadephul dem "Spiegel" nach Angaben vom Freitag. "Es liegt an uns, das Notwendige für unsere Sicherheit zu tun und die Nato zusammenzuhalten".

UNO: Gewalt gegen Kinder in Konfliktgebieten auf neuem Höchststand

Die Gewalt gegen Kinder in Konfliktgebieten ist laut einem UN-Bericht im vergangenen Jahr deutlich angestiegen und hat ein "beispielloses Ausmaß" erreicht. "Die Zahl der schweren Verstöße stieg im Vergleich zu 2023 um 25 Prozent", hieß es in einem am Donnerstag von UN-Generalsekretär António Guterres vorgelegten Jahresbericht. Darin werden 41.370 schwere Gewaltfälle aufgelistet, dies ist die höchste Zahl seit Einführung des Berichts vor fast 30 Jahren.

Textgröße ändern: