Deutsche Tageszeitung - Verfassungsrechtlerin hält Ausgangssperre für grundgesetzwidrig

Verfassungsrechtlerin hält Ausgangssperre für grundgesetzwidrig


Verfassungsrechtlerin hält Ausgangssperre für grundgesetzwidrig
Verfassungsrechtlerin hält Ausgangssperre für grundgesetzwidrig / Foto: ©

Die in der geplanten Corona-Notbremse vorgesehene Ausgangssperre verletzt laut der Verfassungsrechtlerin Anna Katharina Mangold mehrere Grundrechte. Der Staat müsse sich für Eingriffe in die Grundrechte rechtfertigen, nicht die Bürger für die Ausübung ihrer Rechte, sagte Mangold am Dienstag bei einer Veranstaltung der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), in deren Auftrag sie ein Gutachten zur Ausgangssperre erstellt hatte. Die GFF bereitet nun den Gang vor das Bundesverfassungsgericht für den Fall vor, dass die Maßnahme unverändert beschlossen wird.

Textgröße ändern:

Das neue Infektionsschutzgesetz soll am Mittwoch vom Bundestag und am Donnerstag vom Bundesrat beschlossen werden. Darin sind Ausgangssperren zwischen 22.00 und 05.00 Uhr vorgesehen, wenn die Sieben-Tage-Inzidenz der Neuinfektionen über 100 steigt. Ausnahmen soll es unter anderem für Arztbesuche und die Versorgung von Pflegebedürftigen geben, außerdem für "ähnlich gewichtige und unabweisbare Gründe". Allein draußen spazieren zu gehen oder Sport zu treiben, soll bis Mitternacht möglich sein.

Wegen dieser Ausnahmen sei die Ausgangssperre nicht bestimmt genug, sagte Mangold. Bürger müssten im Vorfeld wissen, ob sie möglicherweise gegen das Gesetz verstießen. Sonst habe die Polizei die Entscheidungsgewalt, und es sei nicht absehbar, ob diese individuelle Gründe anerkenne oder stattdessen ein Bußgeld verhänge.

Es handle sich um eine weitere "höchst invasive" Regulierung des Privatlebens, sagte die Professorin an der Universität Flensburg. Dagegen sei das Arbeitsleben kaum reguliert. Eine bessere Regulierung des Arbeitslebens wäre aber weniger invasiv und dabei voraussichtlich ungleich effektiver.

Eine Ausgangssperre wäre ihrer Meinung nach für kurze Zeit als Teil eines "höchst effektiven Gesamtkonzepts" durchaus denkbar, sagte Mangold. Dabei müsste es aber darum gehen, die Inzidenz massiv nach unten zu bringen.

"Durch das Ziel einer dauerhaften Kontrolle der Pandemie würde der eigentliche Lockdown zudem nach überschaubarer Zeit enden, was beim aktuell geplanten Jojo-Lockdown gerade nicht zu erwarten steht", schreibt sie in ihrem Gutachten. Das gegenwärtige Konzept verfolge lediglich das Ziel, die Inzidenz für wenige Tage unter 100 zu drücken.

Die GFF kritisierte vor allem eine fehlende Ausgewogenheit in den Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung. Seit einem Jahr verhängten Bund und Länder massive Grundrechtseingriffe im Privaten, aber kaum effektive Maßnahmen zum Schutz vor Infektionen in der Arbeitswelt, teilte der Verein mit.

Sollte die Notbremse so beschlossen werden, werde die GFF dagegen vorgehen, sagte ihr Vorsitzender Ulf Buermeyer. Noch sei die GFF im "Prozess der Entscheidung, welche Mittel wir ausschöpfen". Möglicherweise werde auch zweigleisig gefahren und sowohl vor einem Verwaltungsgericht als auch vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt.

Buermeyer betonte, dass die GFF ausdrücklich hinter der Bekämpfung der Pandemie stehe. Damit werde insbesondere das Grundrecht auf Leben und Gesundheit geschützt. Die Grenzen der Verfassung müssten aber eingehalten werden.

(M.Dylatov--DTZ)

Empfohlen

Ungarn fordern Rücktritt Orbans nach Bekanntwerden von Missbrauchsfällen

Nach dem Bekanntwerden von Missbrauchsfällen in staatlichen Kinder- und Jugendeinrichtungen haben in Ungarns Hauptstadt Budapest am Samstag mehr als 50.000 Menschen den Rücktritt von Ministerpräsident Viktor Orban gefordert. Sie riefen Parolen wie "Orban, hau ab!". Zu der Demonstration hatte Oppositionsführer Peter Magyar aufgerufen, dessen Partei Tisza vor der Parlamentswahl im Frühling die Meinungsfragen anführt. Er führte den Protestzug an und trug ein Banner mit den Worten "Lasst uns Kinder schützen".

US-Soldaten in Syrien in mutmaßlichem Hinterhalt des IS getötet

In Syrien sind am Samstag zwei US-Soldaten und ein US-Übersetzer bei einem Angriff eines mutmaßlichen Mitglieds der Dschihadistenmiliz IS auf eine gemeinsame Patrouille von syrischen und US-Soldaten getötet worden. Drei weitere US-Soldaten seien verletzt worden, teilte das Nahost-Regionalkommando der US-Armee, Centcom, mit. "Wir trauern um den Verlust von drei großen amerikanischen Patrioten in Syrien", erklärte US-Präsident Donald Trump auf seiner Online-Plattform Truth Social und drohte mit "sehr ernster Vergeltung".

Belarus lässt nach US-Vermittlung Oppositionelle Bjaljazki und Kolesnikowa frei

Im autoritär regierten Belarus sind nach der Vermittlung der USA überraschend mehr als 120 politische Gefangene freigelassen worden, darunter die prominente Oppositionspolitikerin Maria Kolesnikowa, der Friedensnobelpreisträger Ales Bjaljazki und der Lukaschenko-Gegner Viktor Babariko. Machthaber Alexander Lukaschenko habe insgesamt 123 Häftlinge aus verschiedenen Ländern begnadigt, hieß es in einem der belarussischen Präsidentschaft angegliederten Telegram-Kanal. Trotz der jahrelangen Haft zeigten sich Kolesnikowa und Bjaljazki bereits wenige Stunden nach ihrer Freilassung kämpferisch.

Belarussische Oppositionelle Bjaljazki und Kolesnikowa sowie weitere Gefangene frei

Die prominente belarussische Oppositionspolitikerin Maria Kolesnikowa und der Friedensnobelpreisträger Ales Bjaljazki sind zusammen mit mehr als 120 weiteren Gefangenen in dem autokratisch regierten Land freigelassen worden. Staatschef Alexander Lukaschenko habe insgesamt 123 Häftlinge aus verschiedenen Ländern begnadigt, hieß es am Samstag in einem der belarussischen Präsidentschaft angegliederten Telegram-Kanal. Dazu zählen laut der Menschenrechtsorganisation Wjasna auch Kolesnikowa, Bjaljazki und der Oppositionelle Viktor Babariko. Den Freilassungen war eine Lockerung von US-Wirtschaftssanktionen gegen Belarus vorausgegangen.

Textgröße ändern: