
Ansturm in Hongkong auf letzte Ausgabe der Peking-kritischen Zeitung "Apple Daily"

Lange Schlangen und ausverkaufte Zeitungen: In Hongkong ist am Donnerstag die letzte Ausgabe der Peking-kritischen Zeitung "Apple Daily" erschienen und war vielerorts nach wenigen Minuten vergriffen. Im Arbeiterbezirk Mongkok standen am frühen Morgen hunderte Menschen an, um ein letztes Mal das der Demokratiebewegung nahestehende Boulevardblatt zu kaufen. "Die Pressefreiheit wurde zum Opfer von Tyrannei", hieß es in der Ausgabe, die mit einer Auflage von einer Million angekündigt war. Nach 26 Jahren musste die Zeitung auf Druck der Peking-treuen Behörden schließen.
"’Apple Daily’ ist tot", erklärte der stellvertretende Chefredakteur Chan Pui Man, der vergangene Woche festgenommen worden war, in einem Abschiedsbrief an die Leserinnen und Leser. In Mongkok skandierten einige Menschen: "Apple Daily, wir werden uns wiedersehen!" Auch in anderen Bezirken wie im Finanzbezirk Central fand das Blatt reißenden Absatz.
Nach massivem Druck der Behörden hatte die Redaktion am Mittwochabend ihre Arbeit einstellen müssen. Auch der Webauftritt und die Konten bei Twitter und Facebook wurden geschlossen. Kurz zuvor hatte der Verwaltungsrat des "Apple Daily"-Mutterkonzerns Next Digital das Aus für die Zeitung bekanntgegeben. Rund tausend Beschäftigte, darunter 700 Journalisten, sind nun ohne Arbeit. In Taiwan wird "Apple Daily" hingegen weiter erscheinen. Wegen finanzieller Probleme von Next Digital wurde die Print-Version der Zeitung allerdings im vergangenen Monat eingestellt, die Website besteht aber weiter.
Auf der Titelseite der letzten Hongkonger Ausgabe prangte ein Foto der Redaktionsmitglieder, die sich winkend von einer Menschenmenge vor dem Redaktionsgebäude verabschieden. "Es ist sehr erschreckend", sagte die 30-jährige Candy. "Innerhalb von zwei Wochen konnten die Behörden mit Hilfe des nationalen Sicherheitsgesetzes ein börsennotiertes Unternehmen auflösen", kritisierte sie. "Ich glaube, für Hongkong brechen dunkle Zeiten an", sagte Student Tim der Nachrichtenagentur AFP.
Als eine der wenigen verbliebenen kritischen Zeitungen der chinesischen Sonderverwaltungszone war "Apple Daily" Peking seit langem ein Dorn im Auge mit ihrer konsequenten Unterstützung für die Demokratiebewegung und scharfen Kritik an der autoritären Führung Chinas. In der vergangenen Woche verschärften die Behörden das Vorgehen gegen das Blatt drastisch. Mehrere Mitarbeiter wurden festgenommen, Konten eingefroren und dutzende Computer und Server bei einer Razzia beschlagnahmt. Die Hongkonger Behörden erklärten, "Apple Daily" habe zu "Sanktionen" gegen Hongkong und die Führung in Peking aufgerufen.
Zu den Festgenommenen gehörten Chefredakteur Ryan Law und Geschäftsführer Cheung Kim Hung. Ihnen wurden auf Grundlage des sogenannten Sicherheitsgesetzes vom vergangenen Jahr "geheime Absprachen mit einem anderen Land oder externen Elementen mit dem Ziel der Gefährdung der nationalen Sicherheit" vorgeworfen.
"Die Hongkonger haben ein Medium verloren, das es gewagt hat, sich einzusetzen und auf der Verteidigung der Wahrheit zu bestehen", erklärten acht örtliche Journalistenvereinigungen gemeinsam. Sie riefen alle Kollegen dazu auf, am Donnerstag als Zeichen der Trauer schwarze Kleidung zu tragen.
Der 73-jährige Besitzer der Zeitung, Jimmy Lai, war zuvor bereits wegen seiner Teilnahme an pro-demokratischen Protesten zu mehreren Gefängnisstrafen von insgesamt 20 Monaten verurteilt worden.
In Hongkong hatte es 2019 monatelange Massenproteste gegen den wachsenden Einfluss Pekings gegeben. Als Reaktion darauf erließ die chinesische Führung im vergangenen Jahr das sogenannte Sicherheitsgesetz, das den Behörden in Hongkong ein hartes Vorgehen gegen alle Aktivitäten erlaubt, die nach ihrer Auffassung die nationale Sicherheit Chinas bedrohen. Verstöße können mit lebenslanger Haft bestraft werden.
Hongkong stürzte in der jährlichen Rangliste der Pressefreiheit von "Reporter ohne Grenzen" von Platz 18 im Jahr 2002 auf Platz 80 in diesem Jahr ab. Das chinesische Festland liegt auf Platz 177 von 180 - knapp vor Turkmenistan, Nordkorea und Eritrea.
(I.Beryonev--DTZ)