Deutsche Tageszeitung - Die Taliban haben in Afghanistan wieder die Macht

Die Taliban haben in Afghanistan wieder die Macht


Die Taliban haben in Afghanistan wieder die Macht
Die Taliban haben in Afghanistan wieder die Macht / Foto: ©

Die radikalislamischen Taliban haben zwei Jahrzehnte nach ihrem Sturz die Macht in Afghanistan wieder übernommen. Am Montag patrouillierten schwer bewaffnete Kämpfer der Miliz in den Straßen von Kabul, nachdem sie am Vorabend den Präsidentenpalast eingenommen hatten. Am Flughafen der Hauptstadt spielten sich chaotische Szenen ab: Tausende Menschen versuchten verzweifelt, einen Platz für einen Evakuierungsflug zu erwischen. US-Präsident Joe Biden wollte sich noch am Montag zur Lage in Afghanistan äußern.

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Die Taliban hatten am Sonntag nach einem zehntägigen Eroberungsfeldzug durch Afghanistan die Hauptstadt erreicht. Die afghanische Regierung gestand ihre Niederlage ein, Präsident Aschraf Ghani floh ins Ausland.

Am Flughafen von Kabul drängten sich am Montag tausende Zivilisten, die aus Angst vor einer erneuten Schreckensherrschaft der Taliban das Land verlassen wollten. In Online-Videos war zu sehen, wie hunderte verzweifelte Menschen einem rollenden US-Militärflugzeug hinterherliefen und versuchten, sich daran festzuklammern.

Die US-Regierung entsandte 6000 Soldaten zur Sicherung des Flughafens. US-Soldaten töteten zwei bewaffnete Männer in der Menge, die ihre Waffen "auf bedrohliche Weise geschwungen" hatten, wie ein Pentagon-Vertreter erklärte. Zuvor hatten die Soldaten bereits in die Luft gefeuert, um die Menge zurückzuhalten.

Die Flughafenverwaltung stellte den kommerziellen Flugverkehr ein, internationale Fluggesellschaften setzten ihre Überflüge über Afghanistan aus. Deutschland, die USA und andere westliche Staaten arbeiteten derweil mit Hochdruck daran, ihre Staatsbürger und afghanische Mitarbeiter auszufliegen. Die deutsche Luftwaffe entsandte mehrere Transportflugzeuge nach Afghanistan.

Ein afghanisches Militärflugzeug stürzte offenbar auf der Flucht nach Usbekistan am Sonntagabend ab. Das usbekische Verteidigungsministerium berichtete, die Maschine habe illegal die Grenze überquert. Mehrere Verletzte, vermutlich afghanische Soldaten, wurden im Krankenhaus behandelt.

In Kabul selbst war es am Montag vergleichsweise ruhig: Die Straßen waren weniger belebt als am Vortag, während die Islamisten Kontrollposten in der Stadt errichteten. Tausende Kämpfer sollen laut einem Taliban-Sprecher auf dem Weg nach Kabul sein, um dort für "Sicherheit" zu sorgen.

Mullah Abdul Ghani Baradar, einer der Gründer der Taliban, rief die Milizionäre in einem Online-Video zur Disziplin auf: "Jetzt ist es an der Zeit, zu beweisen, dass wir unserer Nation dienen und für Sicherheit und ein angenehmes Leben sorgen können."

Die schnelle Machtübernahme der Taliban hat in den westlichen Staaten Fassungslosigkeit und große Sorge um die Zukunft des Landes ausgelöst. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigte sich laut Teilnehmern auf einer Parteisitzung erschüttert: "Für die vielen, die an Fortschritt und Freiheit gebaut haben - vor allem die Frauen - , sind das bittere Ereignisse", wurde sie zitiert.

UN-Generalsekretär António Guterres forderte die internationale Gemeinschaft zur Einigkeit im Umgang mit der "terroristischen Bedrohung in Afghanistan" auf. Die Weltgemeinschaft müsse sicherstellen, dass "Afghanistan nie wieder als Plattform oder sicherer Hafen für Terrororganisationen benutzt wird", sagte er bei einem Dringlichkeitstreffen des UN-Sicherheitsrats.

China erklärte sich als erstes Land zu "freundlichen Beziehungen" mit den neuen Taliban bereit. Die russische Regierung will eine Anerkennung der neuen Machthaber hingegen von deren "Verhalten" abhängig machen.

Die afghanischen Streitkräfte waren ohne die Unterstützung des US-Militärs dem Vormarsch der Taliban beinahe machtlos gegenübergestanden. Dennoch schockierte der rasche Zusammenbruch der afghanischen Regierung die Verantwortlichen in den westlichen Regierungszentralen. Kritikern zufolge hat insbesondere der Ruf der USA als Weltmacht damit schweren Schaden erlitten.

Auch Merkel ließ Kritik an der Entscheidung der US-Regierung zum Truppenabzug durchblicken. Diese Entscheidung habe vor allem "innenpolitische Gründe" gehabt, sagte sie laut Teilnehmern der Parteisitzung. US-Präsident Joe Biden wollte am Montag eine Fernsehansprache zur Lage in Afghanistan halten.

(M.Dylatov--DTZ)

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