Westbalkan-Länder müssen auf EU-Beitritt weiter warten
Serbien, Albanien und die anderen Westbalkan-Länder können sich weiter keine Hoffnungen auf einen schnellen EU-Beitritt machen. Bei einem Gipfel in Slowenien lehnten die europäischen Staats- und Regierungschefs am Mittwoch das Jahr 2030 als Zieldatum für eine Aufnahme ab. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel stimmte dagegen: "Ich halte nichts von einer Deadline, die uns zum Schluss unter Druck setzt", sagte sie.
Das EU-Mitglied Slowenien hatte als Gipfel-Gastgeber das Jahr 2030 vorgeschlagen, um ein positives Signal an die Westbalkan-Staaten zu senden. Merkel wandte ein, bisher seien "von keinem der Länder die Bedingungen erfüllt". Allerdings habe die EU grundsätzlich ein "immenses geostrategisches Interesse", die Westbalkan-Länder aufzunehmen. Die Kanzlerin begründete dies unter anderem mit der Zusammenarbeit bei der Migration und beim Klimaschutz.
Merkel und ihre 26 EU-Kollegen berieten auf einem Renaissanceschloss im slowenischen Brdo pri Kranju mit den Spitzen von Albanien, Nordmazedonien, Bosnien und Herzegowina, Serbien, Montenegro und dem Kosovo . Der Tagungsort hatte Symbolcharakter, denn er war früher Landsitz des langjährigen jugoslawischen Machthabers Tito.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen warb bei dem Gipfel für den Beitrittsprozess mit den Nachbarstaaten, der im "europäischen Interesse" sei. Die Westbalkan-Länder müssten aber noch "Arbeit leisten bei der Rechtsstaatlichkeit, im Justizsystem und bei der Pressefreiheit". Als Anreiz diene ein EU-Investitionspaket von knapp 30 Milliarden Euro, betonte von der Leyen.
Der serbische Präsident Aleksandar Vucic betonte bei dem Gipfel, er mache sich "keine Illusionen über einen raschen EU-Beitritt". Die Erweiterung sei in Europa einfach "nicht populär". Der Regierungschef des Kosovo, Albin Kurti, nannte den festgefahrenen Beitrittsprozess "eine große Ungerechtigkeit" und warf der EU "einen Mangel an Fairness" vor.
Die beiden Nachbarn hatten sich zuletzt einen erbitterten Streit um die gegenseitige Anerkennung von Autokennzeichen geliefert, der Furcht vor einer militärischen Eskalation geweckt hatte. Merkel und der französische Präsident Emmanuel Macron trafen sich in Slowenien zu einem Vierergespräch mit Vucic und Kurti.
Keine Fortschritte gab es auch mit dem EU-Mitglied Bulgarien, das mit seinem Veto die Aufnahme offizieller Beitrittsgespräche mit Nordmazedonien und de facto auch Albanien blockiert. Merkel und Macron trafen deshalb auch mit dem nordmazedonischen Regierungschef Zoran Zaev und dem bulgarischen Präsidenten Rumen Radew zu einem Vermittlungsgespräch zusammen.
Eine Annäherung gab es jedoch nicht: Präsident Radew warf Nordmazedonien danach erneut vor, die Grundrechte der bulgarischen Minderheit "mit Füßen zu treten". Merkel sagte, vor den bulgarischen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen am 14. November sei "keine Entscheidung möglich".
Der österreichische Kanzler Sebastian Kurz warnte bei dem Westbalkan-Gipfel, wenn die EU "keine ernsthafte Perspektive für diese Region" biete, würden "andere Mächte - Russland, China und auch die Türkei - dort eine immer stärkere Rolle spielen". Moskau und Peking hatten die Region zuletzt mit Corona-Impfstoffen versorgt, Peking agiert zudem als Kreditgeber.
Die 27 EU-Staaten hatten ihre Beratungen am Dienstag mit einem informellen Abendessen begonnen. EU-Ratspräsident Charles Michel sagte, die Europäer wollten "mehr Einfluss in der Welt." Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell wurde beauftragt, dafür einen "strategischen Kompass" auszuarbeiten, der auf dem Dezember-Gipfel in Brüssel diskutiert werden soll.
Umstritten blieb laut EU-Kreisen, wie viel Unabhängigkeit sich die EU von den USA erlauben kann, wie die zukünftige Zusammenarbeit in der Nato aussehen soll und ob es eines gemeinsamen Vorgehens gegen die massive Erhöhung der Erdgas-Preise bedarf.
(W.Novokshonov--DTZ)