Deutsche Tageszeitung - Präsident Selenskyj besucht erstmals Frontlinie in der Südukraine

Präsident Selenskyj besucht erstmals Frontlinie in der Südukraine


Präsident Selenskyj besucht erstmals Frontlinie in der Südukraine
Präsident Selenskyj besucht erstmals Frontlinie in der Südukraine / Foto: © UKRAINE PRESIDENCY/AFP

Zum ersten Mal seit Beginn des russischen Angriffskriegs hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj die Frontlinie in der Südukraine besucht. Auf einem offiziellen Video ist zu sehen, wie Selenskyj am Samstag ein schwer beschädigtes Gebäude der Regionaladministration in Mykolajiw inspiziert. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kündigte derweil an, sich beim EU-Gipfel in der kommenden Woche für eine klare Beitrittsperspektive der Ukraine einsetzen zu wollen.

Textgröße ändern:

Mykolajiw ist ein wichtiges militärisches Ziel der russischen Truppen. Die Einnahme der Stadt würden den Weg nach Odessa, der wichtigsten ukrainischen Hafenstadt, freimachen. Mykolajiw liegt zudem unweit der Region Cherson, die gänzlich unter Kontrolle der russischen Truppen steht.

Nach Angaben des Präsidialbüros besuchte Selenskyj weitere ukrainische Stellungen in der Region sowie in der benachbarten Region Odessa. "Ich möchte Ihnen im Namen des ukrainischen Volkes, im Namen unseres Staates, für Ihre großartige Arbeit, für Ihren heroischen Dienst danken", sagte er zu Soldaten.

Derweil gingen die Kämpfe im ostukrainischen Donbass unvermindert weiter. Die pro-russischen Separatisten in Donezk meldeten fünf tote und zwölf verletzte Zivilisten durch ukrainischen Artilleriebeschuss. Donezk ist der Hauptort der selbsternannten Republik Donezk.

"Seit dem Morgen zielen massive feindliche Bombardements auf die Hauptstadt der Volksrepublik", erklärte das Militär der Separatisten. Am Samstag seien mehr als 200 Artilleriegeschosse niedergegangen. Russische Nachrichtenagenturen berichteten, ein Kino und ein Café im Stadtzentrum seien getroffen worden.

Die Schlacht um die strategisch wichtige Stadt Sjewjerodonezk wird nach ukrainischen Angaben mittlerweile zunehmend in den umliegenden Dörfern ausgetragen. "Unsere Verteidiger kämpfen in allen Richtungen gegen die Russen", erklärte der Regionalgouverneur von Luhansk, Serhij Hajdaj.

Nach seinen Angaben steht das Stadtgebiet von Sjewjerodonezk weiterhin nicht unter vollständiger russischer Kontrolle. Für die Menschen im benachbarten Lyssytschansk werde die Lage unterdessen immer gefährlicher: Da es den russischen Truppen nicht gelinge vorzurücken, "beschießen sie die Stadt einfach aus der Luft", erklärte Hajdaj.

Das UN-Büro für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (Ocha) hatte am Freitag mitgeteilt, Sjewjerodonezk habe kaum noch Zugang zu sauberem Wasser, Nahrungsmitteln und Strom. Die humanitäre Lage in vielen Teilen der Ostukraine sei "extrem alarmierend".

Bundeskanzler Scholz würdigte die Ukrainer als Kämpfer "für Freiheit und Demokratie". Neben Solidarität sei es nun an der Zeit, der Ukraine eine klare europäische Perspektive zu bieten. Daher werde er versuchen, im Europäischen Rat am kommenden Donnerstag Einstimmigkeit in Bezug auf den Status der Ukraine als Beitrittskandidat zu erreichen.

Die EU-Kommission hatte sich am Freitag offiziell dafür ausgesprochen, der Ukraine diesen Status einzuräumen. Die 27 EU-Staaten müssen dies nun einstimmig billigen.

Selenskyj begrüßte das grüne Licht der EU-Kommission als "historischen Erfolg für alle, die für unseren Staat arbeiten". In seiner abendlichen Videoansprache betonte er am Freitag: "Die Ukraine verdient diese guten Nachrichten".

Sollte die Ukraine den Kandidatenstatus erhalten, wäre dies ein erster Schritt in einem langen Verfahren, das zudem keine Erfolgsgarantien bietet. Die Türkei etwa hat seit 1999 Kandidatenstatus. Das Balkanland Nordmazedonien ist seit 2005 Beitrittskandidat, auf konkrete Verhandlungen wartet Skopje noch immer.

"Überstürzte Beitritte darf es nicht geben", unterstrich die EU-Abgeordnete Katharina Barley (SPD). "Wer einmal in der EU ist, kann nicht ausgeschlossen werden." Kiew müsse daher alle Beitrittskriterien "voll und ganz" erfüllen. Eine Verleihung des Kandidatenstatus' begrüße sie aber ausdrücklich.

(P.Tomczyk--DTZ)

Empfohlen

Ungarn fordern Rücktritt Orbans nach Bekanntwerden von Missbrauchsfällen

Nach dem Bekanntwerden von Missbrauchsfällen in staatlichen Kinder- und Jugendeinrichtungen haben in Ungarns Hauptstadt Budapest am Samstag mehr als 50.000 Menschen den Rücktritt von Ministerpräsident Viktor Orban gefordert. Sie riefen Parolen wie "Orban, hau ab!". Zu der Demonstration hatte Oppositionsführer Peter Magyar aufgerufen, dessen Partei Tisza vor der Parlamentswahl im Frühling die Meinungsfragen anführt. Er führte den Protestzug an und trug ein Banner mit den Worten "Lasst uns Kinder schützen".

US-Soldaten in Syrien in mutmaßlichem Hinterhalt des IS getötet

In Syrien sind am Samstag zwei US-Soldaten und ein US-Übersetzer bei einem Angriff eines mutmaßlichen Mitglieds der Dschihadistenmiliz IS auf eine gemeinsame Patrouille von syrischen und US-Soldaten getötet worden. Drei weitere US-Soldaten seien verletzt worden, teilte das Nahost-Regionalkommando der US-Armee, Centcom, mit. "Wir trauern um den Verlust von drei großen amerikanischen Patrioten in Syrien", erklärte US-Präsident Donald Trump auf seiner Online-Plattform Truth Social und drohte mit "sehr ernster Vergeltung".

Belarus lässt nach US-Vermittlung Oppositionelle Bjaljazki und Kolesnikowa frei

Im autoritär regierten Belarus sind nach der Vermittlung der USA überraschend mehr als 120 politische Gefangene freigelassen worden, darunter die prominente Oppositionspolitikerin Maria Kolesnikowa, der Friedensnobelpreisträger Ales Bjaljazki und der Lukaschenko-Gegner Viktor Babariko. Machthaber Alexander Lukaschenko habe insgesamt 123 Häftlinge aus verschiedenen Ländern begnadigt, hieß es in einem der belarussischen Präsidentschaft angegliederten Telegram-Kanal. Trotz der jahrelangen Haft zeigten sich Kolesnikowa und Bjaljazki bereits wenige Stunden nach ihrer Freilassung kämpferisch.

Belarussische Oppositionelle Bjaljazki und Kolesnikowa sowie weitere Gefangene frei

Die prominente belarussische Oppositionspolitikerin Maria Kolesnikowa und der Friedensnobelpreisträger Ales Bjaljazki sind zusammen mit mehr als 120 weiteren Gefangenen in dem autokratisch regierten Land freigelassen worden. Staatschef Alexander Lukaschenko habe insgesamt 123 Häftlinge aus verschiedenen Ländern begnadigt, hieß es am Samstag in einem der belarussischen Präsidentschaft angegliederten Telegram-Kanal. Dazu zählen laut der Menschenrechtsorganisation Wjasna auch Kolesnikowa, Bjaljazki und der Oppositionelle Viktor Babariko. Den Freilassungen war eine Lockerung von US-Wirtschaftssanktionen gegen Belarus vorausgegangen.

Textgröße ändern: