
Spannungen zwischen Europa und den USA bei Münchner Sicherheitskonferenz

Vor dem Hintergrund des Streits über die Ukraine-Politik sind bei der Münchner Sicherheitskonferenz am Freitag die Spannungen zwischen den USA und den Europäern offen zutage getreten. US-Vizepräsident JD Vance rief die Europäer bei seinem Auftritt in München dazu auf, mehr für die eigene Verteidigung zu tun. Zudem warnte er vor einem "Rückzug" der Meinungsfreiheit in Europa. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier warf der neuen US-Regierung unter Präsident Donald Trump seinerseits Rücksichtslosigkeit gegenüber den Verbündeten vor.
Bei seinem ersten Besuch in Deutschland seit dem Amtsantritt von US-Präsident Trump im Januar sagte Vance in seiner mit Spannung erwarteten Rede in München, es sei ein "wichtiger Bestandteil eines gemeinsamen Bündnisses, dass die Europäer sich stärker engagieren". Vor seiner Rede hatte Vance sich am Rande der Konferenz für eine Beteiligung der Europäer an den Verhandlungen über ein Ende des Krieges in der Ukraine ausgesprochen. Auf eine entsprechende Frage eines Journalisten sagte Vance knapp: "Sicher sollten sie das. Natürlich".
US-Präsident Donald Trump hatte am Mittwoch ein anderthalbstündiges Telefonat mit Kremlchef Wladimir Putin geführt, ohne sich vorab mit den Europäern abzustimmen. Im Anschluss erklärte Trump, er habe mit diesem einen "unverzüglichen" Beginn von Verhandlungen über die Zukunft der Ukraine vereinbart.
Dies weckte bei westlichen Verbündeten die Befürchtung, die Ukraine wie auch die europäischen Partner würden von den Ukraine-Gesprächen ausgeschlossen. Später stellte die US-Regierung klar, dass Kiew an den Gesprächen beteiligt werden solle.
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) bekräftigte in München die Forderung der Bundesregierung, dass Europa bei Verhandlungen über ein Ende des Krieges in der Ukraine mit am Tisch sitzen müsse. Bundesaußenministern Annalena Baerbock (Grüne) warnte vor einem "Scheinfrieden" in der Ukraine. Sie reagierte auch auf einen Vorstoß von US-Präsident Trump, Russland ins Forum der wichtigen Industriestaaten - den G7 - zurück zu holen. Baerbock lehnte dies im Moment klar ab.
Vance warf in seiner Rede mehreren europäischen Staaten auch eine Einschränkung der Meinungsfreiheit vor. "In Großbritannien und in ganz Europa ist die Meinungsfreiheit, so fürchte ich, auf dem Rückzug", sagte Vance. Er begründete seinen Vorwurf mit mehreren Beispielen - unter anderem ein Anfang Februar ergangenes Gerichtsurteil in Schweden, mit dem ein Exil-Iraker wegen der Verbrennung des Korans wegen "Hetze gegen eine ethnische Gruppe" verurteilt worden war.
Ungewohnt scharfe Kritik an den USA äußerte Bundespräsident Steinmeier in seiner Eröffnungsrede bei der Sicherheitskonferenz. Die neue US-Regierung habe "ein anderes Weltbild als wir. Eines, das keine Rücksicht nimmt auf etablierte Regeln, auf gewachsene Partnerschaft und Vertrauen", sagte Steinmeier. Der Bundespräsident kritisierte außerdem die "historisch beispiellose Konzentration von technologischer, finanzieller und politischer Macht", die sich derzeit in den USA herausbilde. Besonders besorgniserregend sei es dabei, "wenn einige aus dieser Elite aus ihrer Verachtung für Institutionen und Normen unserer Demokratie keinen Hehl machen".
Trump war im Wahlkampf massiv von Tech-Multimilliardär Elon Musk unterstützt worden. Der US-Präsident betraute Musk mit der Leitung einer neuen Abteilung für staatliche Effizienz (Doge), die für den massiven Personal- und Kostenabbau in den US-Bundesbehörden verantwortlich ist.
Es war vor Beginn der Konferenz erwartet worden, dass Vance in seiner Rede konkreter auf einen US-Truppenabzug aus Europa eingehen würde. In der Nato wird damit gerechnet, dass US-Präsident Trump in einem ersten Schritt Kräfte der 82. Luftlandedivision abziehen könnte. Nach Angaben aus der Allianz handelt es sich um rund 20.000 Soldaten. Vance sagte dazu jedoch lediglich, die USA müssten sich "auf die Regionen der Welt konzentrieren, die in großer Gefahr sind".
Trump hatte sich in der Vergangenheit wiederholt dafür ausgesprochen, die Präsenz der US-Armee in Europa zu reduzieren und Militärstützpunkte zu schließen.
Verteidigungsminister Pistorius warnte, ein Abzug von US-Truppen könne von den Europäern "nicht von jetzt auf gleich" kompensiert werden. Pistorius hat deshalb nach eigenen Angaben einen Fahrplan vorgeschlagen, an dem entlang "die Veränderung der Lastenverteilung" so vorgenommen werden könne, "dass in der Zeit keine gefährlichen Fähigkeitslücken entstehen".
Noch vor Beginn der 61. Sicherheitskonferenz in München hatte eine Äußerung Trumps für Verwirrung gesorgt, wonach auch "hochrangige" russische Vertreter Gespräche mit ukrainischen und US-Vertretern in München führen würden. Aus dem Auswärtigen Amt hieß es dazu, es habe sich "keine Delegation der russischen Seite angekündigt". Der MSK-Vorsitzende Christoph Heusgen sagte, es seien keine russischen Regierungsvertreter für die Konferenz akkreditiert.
(L.Møller--DTZ)