Deutsche Tageszeitung - 100 Tage Schwarz-Rot: Vertreter von CDU und SPD mahnen zu Geschlossenheit

100 Tage Schwarz-Rot: Vertreter von CDU und SPD mahnen zu Geschlossenheit


100 Tage Schwarz-Rot: Vertreter von CDU und SPD mahnen zu Geschlossenheit
100 Tage Schwarz-Rot: Vertreter von CDU und SPD mahnen zu Geschlossenheit / Foto: © AFP

Rund 100 Tage nach dem Antritt der neuen Regierung haben Vertreter von Union und SPD zu mehr Geschlossenheit in der Koalition gemahnt. Unionsfraktionschef Jens Spahn (CDU) rief das schwarz-rote Bündnis zu mehr Verständnis füreinander auf: "Wir müssen als Koalition offenkundig noch enger zusammenwachsen", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) vom Mittwoch. SPD-Parlamentsgeschäftsführer Dirk Wiese wies auf "Dissonanzen" hin, bei denen "noch Luft nach oben" sei.

Textgröße ändern:

Am Donnerstag ist Merz' Regierung aus CDU, CSU und SPD 100 Tage im Amt. Konfliktfrei lief die Anfangsphase bisher nicht - besonders die gescheiterte Richterwahl für das Bundesverfassungsgericht im Juli sorgte für erhebliche Verstimmungen in der Koalition. Auch bei weiteren Themen ist sich das Bündnis uneinig - etwa bei der Stromsteuer-Senkung oder bei der Israel-Politik.

"Wir müssen einen Sinn dafür entwickeln, was gemeinsam gehen kann und gemeinsam gehen muss. Und für das, was wir uns gegenseitig zumuten können - und was eben nicht", sagte Spahn dazu im RND. Diese Koalition sei zum Wohle des Landes schlicht und ergreifend zum Erfolg verpflichtet, mahnte Spahn.

Das wirksamste Mittel gegen Extremisten bleibe, wenn Union und SPD Probleme unaufgeregt lösten, die vielen Menschen Sorgen bereiten - von unbezahlbaren Mieten bis hin zur irregulären Migration, sagte Spahn weiter. Er warnte vor der "radikalen Zerstörungsstrategie der AfD".

Während der ersten 100 Tage der Bundesregierung verbesserte sich die AfD in Umfragen und ist laut einer am Dienstag veröffentlichten Forsa-Erhebung mit 26 Prozent aktuell stärkste Kraft vor der Union mit 24 Prozent. Laut Forsa-Befragung ist zudem die Unzufriedenheit mit der schwarz-roten Bundesregierung in den vergangenen Wochen stark gestiegen. Waren im Mai noch 43 Prozent mit der Arbeit von Kanzler Merz zufrieden, waren es nun nur noch 29 Prozent. Der Anteil der Unzufriedenen liegt nun bei 67 Prozent.

"Umfragewerte sind so wie sie sind, da freut man sich nicht drüber", gestand der SPD-Politiker Dirk Wiese im ARD-"Morgenmagazin" ein. Mit Blick auf die gescheiterte Richterwahl ergänzte Wiese: "Das, was wir erlebt haben, hat das Ansehen der Koalition in kein gutes Licht gerückt. Da müssen wir dran arbeiten und dann werden die Umfragewerte wieder besser."

Wiese betonte zwar mit Blick auf das Infrastruktur-Sondervermögen, das Rentenpaket und das Tariftreuegesetz, dass die Koalition "einiges auf den Weg gebracht" habe. Bei den Streitpunkten aber "müssen wir besser werden", sagte er. "Die Richterwahl und die nicht eingehaltenen Zusagen haben Vertrauen gekostet", sagte er. Nun müsse die Koalition das umsetzen, was sie sich vorgenommen habe, nämlich "geräuschloser regieren". Es komme nun "darauf an, dass wir aufarbeiten, was passiert ist".

Am Dienstagabend kam Kanzler und CDU-Chef Merz indes im Kanzleramt mit den stellvertretenden CDU-Vorsitzenden zusammen. Solche Treffen fänden "regelmäßig" statt, sagte ein Regierungssprecher zu AFP. "Natürlich diskutierten sie die aktuelle Lage." Die "Bild"-Zeitung hatte zuvor von einem "Krisentreffen" berichtet.

Eine negative Zwischenbilanz nach 100 Tagen kam von der Opposition. "Der dramatische Einbruch der Zustimmungswerte für den Bundeskanzler und seine Regierung zeigt: Die Koalition hat schon jetzt jedes Vertrauen verspielt", erklärten die AfD-Parteichefs Alice Weidel und Tino Chrupalla. "Der Kanzler ist an seinem Amt gescheitert."

Die Linken-Vorsitzende Ines Schwerdtner nannte bei Phoenix die bisherige Amtszeit der Regierung ein "großes Fiasko". Merz habe seit seiner Wahl "viele Baustellen aufgemacht, aber nichts zu Ende geführt". Viele Bürger seien enttäuscht, weil versprochene Entlastungen nicht kämen.

Der Sozialverband VdK beklagt nach 100 Tagen Merz-Regierung "große Leerstellen in der Sozialpolitik". "Ein starkes Bekenntnis zu einem leistungsfähigen und gerechten Sozialstaat ist bisher ausgeblieben", erklärte VdK-Präsidentin Verena Bentele. "Die Menschen fragen sich zurecht, warum diese gesellschaftlich relevanten Themen nicht ganz oben auf der Agenda stehen und alle wichtigen Entscheidungen in Kommissionen ausgelagert werden."

(T.W.Lukyanenko--DTZ)

Empfohlen

Israel tötet ranghohen Hamas-Kommandeur im Gazastreifen - Hamas lehnt Entwaffnung ab

Israel hat den für die Hamas-Waffenproduktion im Gazastreifen verantwortlichen Kommandeur getötet. Die israelische Regierung gab den Tod "des Terroristen Raed Saad" bekannt, den sie als "einen der Architekten" des Hamas-Überfalls auf Israel vom 7. Oktober 2023 bezeichnete. Die islamistische Palästinenserorganisation bestätigte am Sonntag den Tod ihres ranghohen Kommandeurs und lehnte im Zuge dessen ihre international geforderte Entwaffnung kategorisch ab.

Ukraine-Gespräche in Berlin: Selenskyj plädiert für Einfrieren des Frontverlaufs

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ist zu den mit Spannung erwarteten Gesprächen über eine Beendigung des Ukraine-Kriegs in Berlin eingetroffen. Dies bestätigte Präsidentenberater Dmytro Lytwyn am Sonntag vor Journalisten. Selenskyj sagte seinerseits vor seiner Ankunft vor Reportern, er wolle die US-Unterhändler bei dem Treffen davon überzeugen, den Frontverlauf in der Ukraine einzufrieren. In Berlin sollten sich ukrainische Vertreter unter anderem mit dem US-Sondergesandten Steve Witkoff treffen.

Freude und Erleichterung über Freilassung von belarussischen Oppositionellen

Die überraschende Freilassung von mehr als 120 politischen Gefangenen aus Belarus nach Vermittlung der USA ist mit Freude und Erleichterung aufgenommen worden. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) erklärte am Wochenende im Onlinedienst X, die Freilassung der Oppositionspolitikerin Maria Kolesnikowa, des Friedensnobelpreisträgers Ales Bjaljazki, des Lukaschenko-Gegners Viktor Babariko und weiterer politischer Gefangener erfülle ihn "mit Freude". EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärte, die EU werde sich weiter für politische Gefangene in Belarus einsetzen. Kolesnikowa und Bjaljazki zeigten sich unmittelbar nach der Freilassung kämpferisch.

Entscheidende Runde der Präsidentschaftswahl in Chile hat begonnen

In Chile hat die entscheidende Runde der Präsidentschaftswahl begonnen. In der Stichwahl um die Nachfolge des linksgerichteten Präsidenten Gabriel Boric treten der deutschstämmige Rechtsextreme José Antonio Kast, der Sohn eines Wehrmachtssoldaten, und die Sozialdemokratin Jeannette Jara gegeneinander an. Wichtigste Themen im Wahlkampf waren die Bekämpfung krimineller Banden und die Einwanderung.

Textgröße ändern: