Deutsche Tageszeitung - Alarm wegen fast 20 russischen Drohnen über Polen - Erstmals Drohnen abgeschossen

Alarm wegen fast 20 russischen Drohnen über Polen - Erstmals Drohnen abgeschossen


Alarm wegen fast 20 russischen Drohnen über Polen - Erstmals Drohnen abgeschossen
Alarm wegen fast 20 russischen Drohnen über Polen - Erstmals Drohnen abgeschossen / Foto: © AFP/Archiv

Alarm in Polen und in der gesamten Nato wegen fast 20 russischen Drohnen über dem Nachbarland Deutschlands: "Eine große Zahl" russischer Drohnen drang in der Nacht zum Mittwoch in den polnischen Luftraum ein und wurde nach polnischen Angaben teils abgeschossen. Polens Regierungschef Donald Tusk sprach von einer "Provokation großen Ausmaßes", Warschau beantragte Konsultationen der Nato nach Artikel 4 des Militärbündnisses wegen Bedrohung eines Mitgliedstaates. Seit Beginn des Ukraine-Kriegs 2022 haben Polen und die Nato-Staaten im Baltikum immer wieder Verletzungen ihres Luftraums durch einzelne russische Drohnen gemeldet, bisher hatten sie aber nie Drohnen abgeschossen - und noch nie ein solches Ausmaß gemeldet.

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Ob die russischen Drohnen absichtlich den polnischen Luftraum verletzten oder ob sie aus Versehen beim Angriff Russlands auf die Ukraine bis nach Polen flogen, war zunächst unklar. Russland hatte in der Nacht erneut massive Angriffe auf die Ukraine geflogen, unter anderem auf die westukrainische Stadt Lwiw, die etwa 80 Kilometer von der Grenze zu Polen entfernt ist. Dabei wurden nach Angaben der ukrainischen Armee 458 Drohnen und Raketen eingesetzt.

Polen meldete in einer vorläufigen Bilanz mindestens 19 Luftraumverletzungen und bestätigte zunächst den Abschuss von drei Drohnen, wie Tusk vor dem polnischen Parlament bekanntgab. Warschau nannte den Vorfall "beispiellos". Tusk sagte: "In dieser Nacht kam es zu einer Verletzung des polnischen Luftraums durch eine große Anzahl russischer Drohnen." Er berief eine Krisensitzung seines Kabinetts ein. Verletzte oder Todesopfer gab es nach seinen Angaben nicht. Sieben Drohnen und Überreste eines noch nicht identifizierten Geschosses wurden im Osten des Landes gefunden, wo nach Angaben des polnischen Innenministeriums ein Haus und ein Auto beschädigt wurden.

Polnische Flugzeuge schossen bei dem Einsatz erstmals russische Drohnen ab. Der polnische Verteidigungsminister Wladyslaw Kosiniak-Kamysz teilte mit, die Flugzeuge hätten die "feindlichen Objekte" beschossen. Das polnische Einsatzkommando erklärte: "Das ist ein Akt der Aggression, der eine echte Bedrohung für die Sicherheit unserer Bürger darstellt." Polen schloss während der Einsätze den Luftraum über Teilen des Landes, wie der Warschauer Chopin-Flughafen mitteilte. An dem Hauptstadt-Flughafen wurden Starts und Landungen zeitweise gestoppt.

An dem Einsatz waren auch Nato-Flugzeuge beteiligt. Polen bedankte sich bei der Nato und der niederländischen Luftwaffe für die Unterstützung. Laut Den Haag waren niederländische F-35-Kampfjets im Einsatz. Ein Nato-Sprecher bestätigte eine Beteiligung der Luftabwehr der Nato. Es sei das erste Mal gewesen, dass Nato-Flugzeuge "potenzielle Bedrohungen im Luftraum eines Verbündeten angegriffen haben", erklärte er. Während der Luftraumverletzung seien auch deutsche Patriot-Luftabwehrsysteme in Polen in Alarmbereitschaft gesetzt und ein italienisches Frühwarnflugzeug gestartet worden, hieß es weiter.

Die ohnehin für Mittwoch geplante Sitzung des Nordatlantikrats wurde auf Antrag Polens unter Artikel 4 abgehalten. Nato-Generalsekretär Mark Rutte verurteilte das "absolut rücksichtslose" und "absolut gefährliche" Verhalten Russlands und lobte den Nato-Einsatz gegen die russischen Drohnen als "sehr erfolgreich". Bei der Sitzung des Nordatlantikrats hätten die Verbündeten ihre "Solidarität mit Polen" bekundet. Die Nato sei bereit, "jeden Zentimeter" des Nato-Gebiets zu verteidigen.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erklärte, Russland habe die Drohnen gezielt in den polnischen Luftraum gesteuert. Es handele sich nicht um ein "Versehen". Er forderte erneut eine gemeinsame Luftabwehr der Ukraine und ihrer europäischen Verbündeten. Zudem forderte er eine "klare und entschiedene" Reaktion der Verbündeten.

Auch die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas ging von einer vorsätzlichen Verletzung des polnischen Luftraums aus. Es gebe "Anzeichen, dass es absichtlich war, nicht aus Versehen", schrieb sie im Onlinedienst Bluesky. Es handele sich um die "schwerwiegendste Verletzung des europäischen Luftraums durch Russland seit Kriegsbeginn". EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen verurteilte eine "rücksichtslose und beispiellose" Verletzung des polnischen Luftraums.

Der ukrainische Außenminister Andrij Sybiha erklärte auf X, Kreml-Chef Wladimir Putin weite seinen Krieg aus und werde nicht aufhören, "den Westen zu testen", solange er "keine entschiedene Antwort" auf die Aggressionen Russlands erhalte. Russland und Belarus halten ab Freitag auch ihr gemeinsames, großes Manöver "Sapad 2025" (Westen 2025) ab. Der Kreml lehnte einen Kommentar zum Eindringen der Drohnen in den polnischen Luftraum ab. Der russische Geschäftsträger in Polen wurde ins Außenministerium einbestellt.

Das Nato-Mitglied Polen ist ein wichtiger Unterstützer der Ukraine und ein zentraler Transitort für westliche humanitäre und militärische Hilfe für die Ukraine. Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine im Februar 2022 haben Polen und die baltischen Staaten immer wieder Verletzungen ihres Luftraums durch russische Drohnen gemeldet. Der polnische Präsident Karol Nawrocki hatte erst am Dienstag vor einer Ausweitung des russischen Angriffskrieges gewarnt. Putin sei bereit, "auch in andere Länder einzumarschieren", sagte er bei einem Besuch in Finnland.

Bei der Nato gilt der Grundsatz: Wenn ein Mitgliedstaat angegriffen wird, wird dies als Angriff auf alle Nato-Mitglieder gewertet. Dies ist in Artikel 5 des Nordatlantikvertrages festgelegt. Gemäß Artikel 4 kann jeder Mitgliedstaat im Fall einer Bedrohung seiner "territorialen Integrität, politischen Unabhängigkeit oder Sicherheit" die Einberufung einer Sitzung des Nordatlantikrates verlangen. Dabei kann es zu gemeinsamen Beschlüssen oder Maßnahmen kommen, muss es aber nicht. Der Anwendungsbereich von Artikel 4 ist also weniger klar als in Artikel 5.

(L.Barsayjeva--DTZ)

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