Deutsche Tageszeitung - Bundestagsdebatte über Wehrdienst: Pistorius pocht auf umfassende Musterung

Bundestagsdebatte über Wehrdienst: Pistorius pocht auf umfassende Musterung


Bundestagsdebatte über Wehrdienst: Pistorius pocht auf umfassende Musterung
Bundestagsdebatte über Wehrdienst: Pistorius pocht auf umfassende Musterung / Foto: © AFP/Archiv

Im Streit um die Wehrdienst-Pläne der Koalition hat sich Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) gesprächsbereit gezeigt. Über mögliche Änderungen könne im parlamentarischen Verfahren diskutiert werden, sagte Pistorius bei der ersten Lesung seines Gesetzesentwurfs im Bundestag. Er bekräftigte aber, dass er ab 2027 die Musterung ganzer Jahrgänge für nötig hält: "Wir müssen wissen, wer unser Land im Spannungs- und Verteidigungsfall mit welchen Qualifikationen verteidigen kann."

Textgröße ändern:

Am Dienstag war ein in der Koalition unter anderem von den stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Norbert Röttgen (CDU) und Siemtje Möller (SPD) ausgehandelter Kompromissvorschlag zu Änderungen an dem Gesetzentwurf in letzter Minute gestoppt worden. Pistorius hatte in der SPD-Fraktion dazu "erhebliche Bedenken" geäußert. Dem Minister zufolge war ein Hauptgrund für seinen Widerstand die fehlende flächendeckende Musterung, die nach seinen Plänen ab Mitte 2027 kommen soll.

Die Diskussion der vergangenen Tage habe gezeigt, dass es unterschiedliche Vorstellungen bei der Wehrdienstfrage gebe, sagte Pistorius nun im Bundestag. Er sei "offen dafür", darüber im parlamentarischen Verfahren zu sprechen. Der SPD-Minister begrüßte ausdrücklich die Diskussion der vergangenen Tage: "Alles weniger als eine leidenschaftliche, offene, auch hitzige Debatte über eine solche Frage wäre für mich eine Enttäuschung gewesen", sagte er.

Röttgen verwies im Bundestag darauf, dass die Bundeswehr aufgrund der sicherheitspolitischen Herausforderungen vor allem wegen der Politik Russlands und gemäß deutscher Zusagen an die Nato 260.000 aktive Soldatinnen und Soldaten sowie 200.000 Reservistinnen und Reservisten benötige. "Wir wissen, dass wir davon weit entfernt sind", sagte er. Daher sei es wichtig, im Wehrdienst-Gesetz "klar, transparent, kontrollierbar" den notwendigen Aufwuchs der Bundeswehr zu verankern.

Der CDU-Politiker verteidigte auch das in dem Koalitions-Kompromiss vorgesehene Losverfahren zur Auswahl junger Männer, die sich einer Musterung unterziehen und wenn nötig Wehrdienst leisten müssen. Dies sei ein Gebot der Wehrgerechtigkeit, sagte Röttgen. Die Lösung sei "das Zufallsverfahren", denn "es trifft jeden das gleiche Risiko".

Möller, die für die SPD im Bundestag sprach, pochte auf "einen attraktiven, auf Freiwilligkeit basierenden Wehrdienst". Ungeachtet der Differenzen der vergangenen Tage lobte sie die Zusammenarbeit nicht nur mit Röttgen, sondern auch mit Pistorius. "Gemeinsam werden wir im Gesetzgebungsverfahren die offenen Fragen klären und ein gutes Gesetz erarbeiten", sagte auch sie.

Beißende Kritik kam von der Opposition. Von einem "Improtheater unserer Regierung" sprach der Grünen-Verteidigungspolitiker Niklas Wagener. Die Linken-Abgeordnete Desiree Becker schlug ironisch mit Blick auf das Losverfahren eine "Ziehung der Bundeswehrzahlen sonntags vor dem Tatort - mit Gewehr" vor und riet jungen Menschen, Informationen über Möglichkeiten der Kriegsdienstverweigerung einzuholen. Rüdiger Lucassen (AfD) nannte ein Losverfahren den "Gipfel der Ungerechtigkeit".

Die Bundeswehr benötigt bis spätestens 2035 nach Nato-Vorgaben rund 80.000 zusätzliche Soldaten und deutlich mehr aktive Reservisten. Pistorius will dafür ab dem kommenden Jahr einen neuen freiwilligen Wehrdienst schaffen. Im ersten Jahr ist die Teilnahme an der Musterung noch freiwillig, ab Juli 2027 würde sie für alle 18-Jährigen verpflichtend. Der Gesetzentwurf sieht auch vor, zu einer Wehrpflicht umzuschwenken, wenn sich nicht genügend Freiwillige melden, nennt dafür aber keine konkreten Zielvorgaben.

Der Union reicht dies aber nicht aus. Sie fordert feste Rekrutierungsziele und einen Automatismus, um zur Wehrpflicht zurückzukehren, sollten diese Ziele nicht erreicht werden. Nach dem ausgehandelten Kompromissvorschlag solle zunächst ein Losverfahren bestimmen, wer zur verpflichtenden Musterung muss. Wenn nötig könnten gemäß dem Bedarf der Bundeswehr per weiterem Losverfahren ausgewählte Männer zum Wehrdienst verpflichtet werden.

(W.Budayev--DTZ)

Empfohlen

Russischer General durch Autobombe in Moskau getötet

Nur wenige Stunden nach Gesprächen in den USA über ein Ende des Ukraine-Krieges ist ein hochrangiges Mitglied des russischen Generalstabs durch eine Autobombe in Moskau getötet worden. Eine Untersuchung zu dem "Mord" an Generalleutnant Fanil Sarwarow sei eingeleitet worden, erklärte der russische Ermittlungsausschuss für schwere Straftaten am Montag. Eine der untersuchten Spuren deute auf mögliche Verbindungen zu "ukrainischen Spezialeinheiten" hin. Kiew äußerte sich zunächst nicht zu dem Vorfall.

Grenzkonflikt zwischen Thailand und Kambodscha: Direkte Friedensgespräche geplant

Bei Krisengesprächen über den wiederaufgeflammten Grenzkonflikt zwischen Thailand und Kambodscha haben sich die beiden Nachbarstaaten auf weitere Friedensbemühungen geeinigt. Die neuen bilateralen Gespräche sollen am Mittwoch stattfinden, wie Thailands Außenminister Sihasak Phuangketkeow am Montag zum Abschluss eines Treffens des südostasiatischen Staatenbundes Asean in Kuala Lumpur mitteilte. Derweil wurden die Kämpfe in der Grenzregion fortgesetzt. Durch thailändischen Artilleriebeschuss wurde kambodschanischen Angaben zufolge ein chinesischer Staatsbürger verletzt.

Nach Trumps Ernennung von Grönland-Beauftragtem: Dänemark bestellt US-Botschafter ein

Die Ernennung eines US-Sondergesandten für Grönland durch Präsident Donald Trump hat eine scharfe Reaktion in Kopenhagen ausgelöst. Der dänische Außenminister Lars Lökke Rasmussen kündigte am Montag im Fernsehsender TV2 an, dass er den US-Botschafter einbestellen werde. Bereits zuvor hatte Rasmussen in einer an die Nachrichtenagentur AFP übermittelten Erklärung die US-Regierung aufgefordert, die Souveränität Dänemarks zu respektieren.

Anklage wegen Folter in Syrien: Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Mord

Die Bundesanwaltschaft hat einen Syrer wegen Tötung, Folter und Freiheitsberaubung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt. Fahad A. sei außerdem auch wegen Mordes angeklagt worden, teilten die Karlsruher Ermittler am Montag mit. Die Anklage des im Mai in Rheinland-Pfalz festgenommenen A. sei zum Oberlandesgericht Koblenz erhoben worden.

Textgröße ändern: