US-Armee räumt das Feld für türkischen Militäreinsatz in Nordsyrien
Die USA haben das Feld für eine türkische Militäroffensive in Nordsyrien geräumt und mit dem Abzug ihrer Truppen aus dem Grenzgebiet zur Türkei begonnen. US-Präsident Donald Trump erklärte am Montag im Kurzbotschaftendienst Twitter, es sei an der Zeit für die USA, aus "diesen lächerlichen und endlosen Kriegen" auszusteigen und die US-Soldaten "heimzuholen". Die Bundesregierung und die EU warnten vor den Folgen eines türkischen Militäreinsatzes.
Die Türkei, Syrien, der Iran und der Irak, die Kurden, Europa und Russland müssten nun eine Lösung für die Region finden, forderte Trump. Das Weiße Haus hatte den Truppenabzug in der Nacht zum Montag angekündigt und erklärt, die US-Armee werde die Militäroffensive der Türkei in Nordsyrien "weder unterstützen noch darin involviert sein".
Nur Stunden später verließen die US-Truppen ihre Schlüsselstellungen in Ras al-Ain und Tal Abjad. Kurz darauf erklärte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan, die Militäroffensive zur Schaffung einer "Sicherheitszone" jenseits der türkischen Grenze in Nordsyrien könne jederzeit beginnen.
Der erwartete Einsatz richtet sich gegen die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG). Ankara stuft die YPG-Miliz wegen ihrer Nähe zur kurdischen Arbeiterpartei (PKK) als "Terrororganisation" ein.
Mit dem Rückzug ihrer Streitkräfte rücken die USA deutlich von ihrer bisherigen Syrien-Politik ab. Praktisch kehren sie damit auch den Kurden den Rücken. Die YPG-Miliz war bislang einer der wichtigsten US-Verbündeten im Kampf gegen die Dschihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) in Syrien.
Jahrelang unterstützte Washington die Miliz mit Waffen und Spezialkräften. Auch noch nachdem sich Washington und Ankara Anfang August auf die Schaffung einer Sicherheitszone geeinigt hatten, sicherte das Pentagon den Kurden weitere Unterstützung durch Waffen und Fahrzeuge zu. Einen einseitigen Einmarsch der Türkei in Syrien bezeichnete Washington damals als "inakzeptabel".
Der Sprecher des Bündnisses Syrische Demokratische Kräfte (SDF), Mustefa Bali, erklärte, mit dem Truppenabzug zerstöre Washington "das Vertrauen und die Zusammenarbeit zwischen den SDF und den USA". Sein Bündnis sei "entschlossen, unser Land um jeden Preis zu verteidigen", fügte Bali hinzu.
Die SDF warnten vor einem Wiederaufleben des IS durch die Militäroffensive. Erdogans Sprecher Ibrahim Kalin wies dies zurück: Die Türkei werde nicht zulassen, dass der IS "in irgendeiner Art und Weise" zurückkehre, schrieb Kalin bei Twitter. Die Türkei habe "kein Interesse an einer Besetzung" oder daran, demografische Realitäten zu verändern, fügte er hinzu.
Stattdessen verfolge Ankara mit der angestrebten 500 Kilometer langen und 30 Kilometer breiten "Sicherheitszone" das Ziel, die türkische Grenze zu sichern, "indem terroristische Elemente eliminiert" würden. Zudem werde die Zone es syrischen Flüchtlingen "erlauben, in ihre Heimat zurückzukehren", erklärte Kalin. In der Türkei leben derzeit mehr als 3,6 Millionen syrische Flüchtlinge.
Die Bundesregierung und die EU warnten die Türkei am Montag eindringlich vor einer Militäroffensive. Ein solches Eingreifen würde "zu einer weiteren militärischen Eskalation in Syrien führen und zu einer fortgesetzten Destabilisierung des Landes beitragen", sagte eine Regierungssprecherin in Berlin.
Eine EU-Sprecherin warnte, bewaffnete Auseinandersetzungen in Nordsyrien würden "nicht nur das Leiden von Zivilisten verstärken und zu massiven Vertreibungen führen", sondern bedrohten auch laufende politische Bemühungen für eine Beilegung des Syrien-Konflikts.
Trump forderte die Konfliktparteien auch dazu auf zu klären, was mit den in Nordsyrien gefangen genommenen IS-Kämpfern geschehen solle. Das Weiße Haus kritisierte in seiner Abzugserklärung Deutschland und weitere europäische Staaten erneut, weil diese ihre in Syrien inhaftierten Staatsbürger, die sich dem IS angeschlossen hatten, nicht zurückholten. International ist umstritten, wer für die ausländischen IS-Kämpfer und ihre Familien zuständig ist.
Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums sagte dazu am Montag, es gebe keine "generelle Verweigerungshaltung" der Bundesregierung gegenüber der von den USA geforderten Rücknahme deutscher IS-Kämpfer. Über Rückholaktionen müsse jedoch im Einzelfall entschieden werden, nachdem etwa der "Strafverfolgungsanspruch der Staaten geklärt" sei, in denen sich ehemalige IS-Angehörige aufhielten.
(P.Tomczyk--DTZ)