
Kramp-Karrenbauer rät CDU von Urwahl der Kanzlerkandidaten ab

Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer rät ihrer Partei davon ab, die Entscheidung über die Kanzlerkandidatur der Basis zu überlassen. Die CDU habe "bisher immer mit guten Gründen gesagt, dass sie diesem Weg nicht folgt", sagte Kramp-Karrenbauer am Dienstag den Sendern RTL und n-tv. Die Unruhe in der Partei über die Urwahl-Debatte hielt unterdessen an: Die Parteivizevorsitzenden Julia Klöckner und Thomas Strobl forderten ein Ende der ihrer Ansicht nach schädlichen Diskussion.
Ins Rollen gebracht wurde die Debatte von der Nachwuchsorganisation Junge Union: Sie will bei ihrem Jahrestreffen am Wochenende darüber abstimmen, ob sie auf dem Bundesparteitag im November einen Antrag auf Urwahl des Kanzlerkandidaten stellt.
Kramp-Karrenbauer machte am Dienstag klar, dass sie sich der Debatte stellen wolle. "Die Junge Union war schon immer frei darin, eigene Anträge zu stellen", sagte sie zu RTL/n-tv. "Man muss die Entscheidung auf dem Deutschlandtag abwarten und dann auch möglicherweise auch eine Debatte auf dem Parteitag."
Die Diskussion fällt in eine Zeit wachsender Zweifel an den Führungsqualitäten der Vorsitzenden. Umfragen bescheinigen Kramp-Karrenbauer einen Vertrauensverlust. In einer am Wochenende veröffentlichten "Bild"-Erhebung etwa gaben nur elf Prozent der Befragten an, sie trauten der CDU-Chefin das Kanzleramt zu. Für die Partei stellt sich die Frage, inwieweit die unpopuläre Vorsitzende die Erfolgsaussichten bei Wahlen insgesamt beeinträchtigt.
Führende Christdemokraten warnten ihre Partei vor der Selbstbeschäftigung mit einer Urwahl-Debatte. CDU-Vizechefin Klöckner sagte den Funke-Zeitungen: "Ich sehe keinen Grund, zum jetzigen Zeitpunkt über Kanzlerkandidaturen zu debattieren." Ihr Kollege Strobl warnte: "Mit einer Urwahl geht immer eine wochen- oder gar monatelange Selbstbeschäftigung einher."
Thüringens CDU-Chef Mike Mohring führte die SPD als warnendes Beispiel an. "Es wäre schön, wenn wir nicht die gleichen Fehler machen würden wie die SPD", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Die Partei solle sich lieber auf die bevorstehenden Wahlen in seinem Bundesland konzentrieren.
Nach derzeitiger Planung will die CDU beim Parteitag Ende 2020 den Kanzlerkandidaten oder die Kanzlerkandidatin für die Bundestagswahl 2021 benennen. Kramp-Karrenbauer lässt bislang offen, ob sie selbst die Kandidatur übernehmen will - im ZDF-"heute journal" wich sie am Montagabend einer entsprechenden Frage aus. Sie hatte aber wiederholt deutlich gemacht, dass sie den Benennungsprozess als Parteivorsitzende zu steuern gedenke.
Traditionell hat bei der CDU der oder die Vorsitzende ein Zugriffsrecht auf die Kanzlerkandidatur. Eine Urwahl würde bedeuten, der Vorsitzenden dieses etablierte Anrecht zu nehmen.
Die konservative Werte-Union, die ebenfalls auf eine Urwahl drängt, forderte Kramp-Karrenbauer auf, ihren Widerstand aufzugeben. "Ich hielte es für ein Signal der Stärke, wenn sich die Parteivorsitzende zusammen mit anderen Bewerbern dem Votum der Mitglieder stellen würde", sagte Werte-Union-Chef Alexander Mitsch der Nachrichtenagentur AFP. Mitschs Vereinigung sammelt derzeit per Online-Petition Unterstützung für eine Urwahl-Antrag auf dem Bundesparteitag.
Beim Deutschlandtag der Jungen Union in Saarbrücken könnte Kramp-Karrenbauer auf ihre beiden unterlegenen Mitbewerber im Rennen um den Parteivorsitz treffen. Gesundheitsminister Jens Spahn wird laut Programm am Samstag eine Rede halten; kurzfristig sei auch Friedrich Merz als Redner eingeplant worden, wie JU-Chef Tilman Kuban der "Welt" bestätigte. Kramp-Karrenbauer will am Sonntag zu den Delegierten sprechen.
Kuban hatte am Wochenende der ARD gesagt, dass die Kanzlerkandidatur seiner Absicht nach nicht automatisch auf Kramp-Karrenbauer hinauslaufe. "Wir haben viele gute Köpfe", sagte er.
(U.Beriyev--DTZ)