
Weiter heftige Kämpfe zwischen Kurden und Türken in Nordsyrien

Ungeachtet der gegen Ankara verhängten US-Sanktionen haben die türkischen Truppen ihren Einsatz in Nordsyrien fortgesetzt. Die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) drängten die türkische Armee und verbündete syrische Milizen bei einem Gegenangriff in der Grenzstadt Ras al-Ain zurück. Die humanitäre Hilfe in der Region kam nach Angaben der kurdischen Selbstverwaltung komplett zum Erliegen. Der UN-Sicherheitsrat kommt am Mittwoch zu einer erneuten Sondersitzung zusammen.
Der UN-Sicherheitsrat hatte bereits am Donnerstag getagt, sich aber nicht auf eine gemeinsame Position verständigen können. Die europäischen Vertreter forderten anschließend einen Stopp des türkischen Einmarschs.
In Reaktion auf das Vorgehen der Türkei in Nordsyrien verhängten die USA am Montag Sanktionen gegen die Türkei. US-Präsident Donald Trump hatte der Türkei wiederholt mit Sanktionen gedroht, sollte sie nicht näher genannte rote Linien in Nordsyrien überschreiten. Allerdings hatte er mit dem Abzug von US-Soldaten aus der Region selbst den Weg für die Offensive freigemacht.
Der Abzug ihrer Verbündeten wurde von den Kurden als Verrat empfunden, nachdem sie jahrelang mit den USA gegen die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) gekämpft hatten.
Nach anderen EU-Staaten legten am Dienstag auch Großbritannien und Spanien ihre Waffenexporte auf Eis. Die EU-Staaten hatten zuvor über ein EU-weites Waffenembargo diskutiert, doch keine Einigung erzielt. Der französische Premierminister Edouard Philippe wies der Türkei und den USA eine "sehr große Verantwortung" für die Lage im Nordosten Syriens zu. Das einsetzende "Chaos" werde "das Wiederaufleben des IS befördern", warnte er.
Die YPG-Kämpfer leisteten derweil weiter erbitterten Widerstand gegen die türkische Armee und verbündete syrisch-arabische Milizen: In der Grenzstadt Ras al-Ain gebe es weiter heftige Kämpfe, erklärte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Die kurdische Miliz habe in der Nacht einen Gegenangriff gestartet. Die Türkei hatte zuvor die Einnahme der Stadt gemeldet.
Auch im Umfeld von Manbidsch gab es in der Nacht zu Dienstag Kämpfe zwischen Einheiten des prokurdischen Militärrats der Stadt und protürkischen Milizen. Damaskus hatte zuvor nach einer Vereinbarung mit der kurdischen Selbstverwaltung Truppen nach Manbidsch geschickt, um sie gegen die Türkei zu verteidigen. Zwei türkische Soldaten wurden in der Region um Manbidsch durch Granaten getötet, sieben weitere wurden verletzt, wie das türkische Verteidigungsministerium mitteilte.
Die Rückkehr der syrischen Regierungstruppen in die Kurdengebiete ist ein wichtiger Wendepunkt in dem mehr als achtjährigen Konflikt. Die Truppen von Machthaber Baschar al-Assad hatten sich 2012 aus der Region weitgehend zurückgezogen und zugelassen, dass die Kurden unter Führung der Partei der Demokratischen Union (PYD) eine eigene Verwaltung aufbauten.
Vermittelt wurde die Vereinbarung durch Russland, das seit Jahren Assad unterstützt. Das russische Verteidigungsministerium erklärte am Dienstag, die syrischen Regierungstruppen hätten wieder "volle Kontrolle über die Stadt Manbidsch und umliegende Siedlungen". Die US-Truppen hätten ihre Stellungen nahe Manbidsch verlassen.
Moskau erklärte, Russland werde nicht zulassen, dass es zu Zusammenstößen zwischen der Türkei und den Assad-Truppen komme. Die russische Militärpolizei patrouilliere entlang der Frontlinie.
Internationale Hilfsorganisationen verließen die umkämpften Gebiete nach Angaben der kurdischen Selbstverwaltung. Die Organisation Ärzte ohne Grenzen teilte mit, sie habe alle Mitarbeiter aus der Region abgezogen und den Großteil ihrer Aktivitäten eingestellt.
Die UNO prüft derweil Fälle von Hinrichtungen im Schnellverfahren von Zivilisten durch protürkische Milizionäre. Den Syrischen Demokratischen Kräften (SDF) zufolge wurden am Wochenende mindestens neun Zivilisten "hingerichtet". Ein Sprecher des UN-Menschenrechtsbüros sagte, derzeit würden zwei Videos der mutmaßlichen Hinrichtungen ausgewertet. Er warnte Ankara, dies könnte ein Kriegsverbrechen darstellen und die Türkei dafür verantwortlich gemacht werden.
(S.A.Dudajev--DTZ)