Demonstranten in Katalonien legen Verkehr teilweise lahm
Die Proteste in Katalonien gegen die langjährigen Haftstrafen für prominente Vertreter der Unabhängigkeitsbewegung haben am Freitag einen vorläufigen Höhepunkt erreicht. Tausende Menschen beteiligten sich an einem Generalstreik, der den Verkehr in der Region teilweise lahmlegte. In Barcelona wurden dutzende Flüge gestrichen, an der spanisch-französischen Grenze blockierten Demonstranten eine Autobahn. Am Nachmittag war eine Großdemonstration geplant. Der frühere katalanische Regionalpräsident Carles Puigdemont stellte sich derweil in Belgien der Polizei.
Aus fünf Städten zogen Demonstranten am Freitag nach Barcelona, wo die zentrale Kundgebung gegen 17.00 Uhr stattfinden sollte. Demo-Züge mit jeweils tausenden Menschen, die Unabhängigkeitsfahnen schwenkten und Transparente mit sich trugen, zogen bereits am Nachmittag durch die Stadt.
In der katalanischen Hauptstadt waren die Auswirkungen der Proteste gegen die langjährigen Haftstrafen der spanischen Justiz gegen neun Anführer der Unabhängigkeitsbewegung fast überall spürbar: 57 Flüge mussten nach offiziellen Angaben am Boden bleiben. Die Oper in Barcelona sagte die für den Abend geplante Vorstellung ab, die weltberühmte Gaudí-Kathedrale Sagrada Familie wurde für Besucher geschlossen und auf dem bekannten Boquería-Markt in Barcelonas Altstadt waren nur wenige Verkaufsstände geöffnet. Auch ein Werk des Autobauers Seat mit mehr als 6500 Mitarbeitern in der Stadt Martorell blieb geschlossen.
Straßenblockaden gab es bereits am Morgen. Dem Verkehrsministeriums zufolge blockierten Demonstranten unter anderem die Autobahn AP7 bei La Jonquera in beiden Richtungen sowie die Nationalstraße N-II in der Nähe der Grenze. Ein für den 26. Oktober in der katalanischen Hauptstadt geplantes Fußballspiel von Real Madrid und dem FC Barcelona wurde wegen erwarteter Demonstrationen verschoben.
Bereits am Donnerstagabend hatte es erneute Zusammenstöße zwischen Demonstranten und Polizisten gegeben. Trotz Aufrufen zum Gewaltverzicht setzten junge Demonstranten im Zentrum Barcelonas Barrikaden in Brand und warfen Molotowcocktails auf Polizisten. Diese reagierten mit Löschschaum und Wasserwerfern. Rettungskräften zufolge wurden in der Nacht auf Freitag in ganz Katalonien 42 Menschen verletzt, die meisten davon in Barcelona.
Hintergrund der Proteste ist die Verurteilung von neun Anführern der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung am Montag. Spaniens Oberster Gerichtshof hatte Haftstrafen von bis zu 13 Jahren gegen prominente katalanische Politiker und Vertreter der Zivilgesellschaft wegen "Aufruhrs" verhängt. Dabei ging es um ihre Rolle bei dem umstrittenen Referendum zur Unabhängigkeit Kataloniens im Jahr 2017, das eine Erklärung der Regionalregierung zur Loslösung von Spanien sowie danach die Absetzung der Regierung und die Zwangsverwaltung durch Madrid zur Folge hatte.
Der Oberste Gerichtshof Spaniens hatte auch einen Haftbefehl gegen den im belgischen Exil lebenden früheren katalanischen Regionalpräsidenten Carles Puigdemont ausgestellt. Am Freitagmorgen stellte sich Puigdemont in Brüssel freiwillig der Polizei. Vor Journalisten sagte er, er sei einem Richter vorgeführt worden, der ihn "ohne Kaution" freigelassen habe. Er müsse sich für weitere Vorladungen verfügbar halten, sagte Puigdemont weiter.
Seit dem Urteil kam es jeden Tag in Katalonien zu Demonstrationen mit teils gewaltsamen Ausschreitungen mit dutzenden Verletzten. Seit Beginn der Proteste nahm die Polizei nach eigenen Angaben mehr als 110 Menschen fest, mindestens elf von ihnen am Donnerstagabend.
Der wirtschaftliche Schaden für die Region durch den Generalstreik sei bereits beträchtlich, sagte Spaniens Vize-Regierungschefin Carmen Calvo im Radio.
(A.Nikiforov--DTZ)